«Überarztung: Bieler Arzt ruft Bundesgericht an.» Die Berner Tageszeitung
«Der Bund» berichtete am Dienstag, 2. Oktober, über einen Bieler Arzt, der mit seiner Praxis überdurchschnittliche Kosten verursachte.
Ein Schiedsgericht befand, dass der Arzt mehrere Hunderttausend Franken zurückerstatten muss. Der Artikel wurde auf Medinside unter der Rubrik «Empfehlungen» publiziert.
«Ungerecht behandelt»
Der inzwischen 70-jährige Mediziner, der mit seinen Patienten älter geworden sei, fühle sich ungerecht behandelt, schrieb der «Bund». Er mache viele Arztbesuche, begleite schwer kranke Menschen bis zum Tod und sei für seine Patienten auch ausserhalb der Praxisöffnungszeiten erreichbar.
Nun hat das
Bieler Tagblatt den angeschuldigten Hausarzt Werner Kaiser in seiner Praxis besucht und aufschlussreiche Einzelheiten bekannt gegeben. So soll der Arzt den Krankenkassen für 2014 und 2015 Beträge von 270'000 und 290'000 Franken zurückzahlen.
Sowohl die
FMH wie die
Ärztegesellschaft des Kantons Bern setzen sich für Werner Kaiser ein: «Gesundheitspolitisch ist es eine fatale Fehlentwicklung, wenn ausgerechnet die Betreuung und Behandlung schwer kranker und sozial benachteiligter Patienten einem Arzt zum Verhängnis werden kann,» wird ein Sprecher der kantonalen Ärztegesellschaft zitiert.
Kritik am Messverfahren
Der Zürcher Arzt Urs Stoffel vom FMH-Zentralvorstand kritisiert die Methode, wonach gerade bei Hausärzten die Daten ungenügend erhoben würden. «Berücksichtigt werden nur Geschlecht und Alter der Patienten, jedoch nicht ihr Gesundheitszustand», so Stoffel. Hausärzte, die wie Werner Kaiser ältere und chronisch kranke Patienten betreuten, würden nun mal höhere Kosten verursachen.
Laut Stoffel habe man das Screeningverfahren mittlerweile verbessert. Neben Alter und Geschlecht der Patienten würden nun auch zusätzliche Parameter wie die Anzahl der eingenommenen Medikamente oder Hospitalisationen im Vorjahr erhoben.
«Würde Werner Kaiser mit der neuen Methode nochmals überprüft, würde er wohl kaum mehr auffällig sein,» sagt das FMH-Vorstandsmitglied dem Bieler Tagblatt.
Santésuisse ist eigens nach Biel gereist
Santésuisse weist indessen darauf hin, dass man den Bieler Arzt schon vor fast zehn Jahren auf die hohen Kosten aufmerksam gemacht habe. Man habe ihm geraten, sein Verhalten zu ändern. Nachdem in den Jahren 2014 und 2015 nochmals massive Kosteknüberschreitungen festgestellt worden seien, sei man nach Biel gereist und habe sich sogar kulant gezeigt. Doch Werner Kaiser sei nicht darauf eingestiegen.
Werner Kaiser ist gekränkt
«Während sich Krankenversicherer und Ärzteschaft gegenseitig mit Vorwürfen eindecken, sitzt Werner Kaiser im Sprechzimmer seiner Praxis an der Bözingenstrasse in Biel und kämpft mit seinen Gefühlen», schreibt das Bieler Tagblatt.
Als Opfer wolle er sich nicht sehen, sondern als «engagierter, rund um die Uhr präsenter Hausarzt», dessen Praxisbesonderheiten vom Verwaltungsgericht auf das Gröbste missachtet werden. Das schlimmste für ihn sei aber, «dass ich durch das Urteil des Verwaltungsgerichts als einer dastehe, der sich auf Kosten der Patienten bereichern will.» Das kränke ihn zutiefst.