Unprecedented, beispiellos: Das der Begriff, mit dem eine Gruppe von Onkologen vorgestern ihre neusten Versuchsergebnisse zusammenfasste – und mit diesem Wort wurden sie in den Stunden seither weltweit und hundertfach zitiert.
Hoffnungsfeld Immuntherapie
Und die Resultate seien, wie gesagt, «beispiellos». Ein internationales Team von Krebsforschern in Diensten des
Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle berichtete von den Wirkungen, die es mit der adoptiven T-Zellentherapie bei Blutkrebs-Patienten erreicht hatte; also in einer Forschungslinie, auf dem seit Jahren schon eine stetig wachsende Hoffnung lastet – wie überhaupt in der Immuntherapie. Fälle von Heilungen respektive kompletten Remissionen bei einzelnen Krebsarten und bestimmten Patienten wurden immer wieder vermeldet, doch die Erfolgsquoten waren auch da in einem tiefen Bereich
(eine grundsätzliche Darstellung des Verfahrens findet sich hier).Die jetzt in Washington vorgestellten Daten deuten aber ganz andere Verhältnisse an. Konkret: Das Team unter der Leitung von
Stanley Riddell, einem Onkologen der University of Washington, hatte Dutzende Krebspatienten im Endstadium behandelt – und erreichte Heilungsquoten über 90 Prozent.
Patienten der letzten Chance
Konkret: Es handelte sich um eine Versuchsgruppe von 35 Personen, die an akuter lymphatischer Leukämie litten – und hier verschwanden bei 94 Prozent die Symptome. In einer anderen Gruppe wurden andere Blutkrebsvarianten angegangen, so das Non-Hodkin-Lymphom; und auch hier lagen die Erfolgsraten über 80 Prozent. Diese Gruppe umfasste 40 Personen.
Insgesamt wiesen mehr als die Hälfte aller Versuchspersonen eine komplette Remission auf. Dies, nachdem alle anderen Therapien bei diesen Patienten wirkungslos geblieben waren. Ihre Lebenserwartung wurde von den Ärzten auf zwei bis fünf Monate eingeschätzt.
Tumormasse in der Niere eines Patienten vor der CAR-T-Zellen-Therapie (links) und zwei Monate nach Beginn der Therapie (Bild: Fred Hutch News Service)
«Der Reiz dieser Behandlung liegt darin, dass ein einmaliger Schuss genügt», sagte Stanley Riddell an der Medienkonferenz (siehe etwa
den Bericht hier). Das Prinzip ist bekannt: T-Zellen des Patienten werden extrahiert, genetisch modifiziert beziehungsweise so umprogrammiert, dass sie die Tumorzellen angreifen. «Bei vielen Patienten reichte buchstäblich eine kleine Infusion von 10 bis 20 Millionen Zellen, um Kilos an Tumoren zu eliminieren.»
Noch fehlen die Peer Reviews
An der Präsentation waren auch internationale Forscher wie
Dirk Busch von der Technischen Universität München und
Chiara Bonini vom Wissenschaftsinstitut San Raffaele in Mailand beteiligt. «Dies ist wirklich eine Revolution», meinte Bonini: Dermassen hohe Remissions-Raten seien bislang nicht bekannt.
Wie gross darf also die Hoffnung sein?
- Der erste springende Punkt: Die Ergebnisse sind noch gar nicht publiziert. Auch wenn sowohl die Beteiligten als auch die AAAS und das Fred-Hutch-Center einen topseriösen Ruf haben – es fehlt noch an unabhängigen Gutachten, die zur Einschätzung helfen.
- Zweitens: Die Nebenwirkungen sind offenbar erheblich. Die Mediziner gestanden auch ein, dass zwei Patienten nach sehr starken Immunreaktionen verstarben. Bei sieben weiteren traten schwere Formen des Cytokine Release Syndrome auf (ein Problem, das bekanntlich auch anderen Immuntherapie-Arzneistoffen zu Sorgen Anlass gibt). Fieber, Hypotension und Neurotoxitität gehörten bei etwa einem Dutzend weiterer Patienten zu den Nebenwirkungen.
- Völlig unklar ist, wie leicht sich die hier genährten Hoffnungen auf andere Krebsarten übertragen lassen. Gegenüber der BBC wies der britische Onkologie-Forscher Alan Worsley darauf hin, dass bei den erwähnten Blutkrebs-Arten bereits die herkömmlichen Therapien vielfach effektiv sind.
- Ebenfalls noch ganz offen ist, wie lange denn die Patienten auch wirklich symptomfrei bleiben.
«Um es klar zu machen: So vielversprechend die Resultate sind – diese Therapie wird wohl nie zur „Kur“ für Krebs, sondern sie bleibt sehr wahrscheinlich für die extremsten Fälle reserviert», fasste
«Science Alert» zusammen – insbesondere mit Verweis auf die doch heftigen Nebenwirkungen.
Diese Einschätzung teilt offenbar auch Onkologe Ridell: «Wie die Chemotherapie und die Bestrahlung, so wird auch dies kein Allheilmittel. Wir hatten es mit Patienten zu tun, bei denen zuvor alles versagt hatte», sagte er. Aber: «Ich denke, dass es die Immuntherapie nun geschafft hat, zu einem Pfeiler der Krebsbehandlung zu werden.»
Video: Wie T-Zellen Krebszellen erledigen
Forscher der Universität Cambridge haben zytotoxische T-Zellen bei der Arbeit beobachtet: Die 3-D-Aufnahmen zeigen, wie die grünen oder orangen «Killerzellen» andere Zellen (blau) prüfen, Mutationen entdecken und notfalls mit giftigen Proteinen abtöten.