In der letzten Woche war die Tarmed-Position 00.0140 ein grosses Thema: Wie Santésuisse bekannt machte, verrechneten die Schweizer Ärzte letztes Jahr fast eine halbe Milliarde Franken als «Leistung in Abwesenheit des Patienten». Die Summe hatte sich damit seit 2010 mehr als verdoppelt – von 199 Millionen Franken auf 454 Millionen im letzten Jahr.
Nachdem diverse Medien darüber berichtet hatten, konterten die Mediziner. Für die Zürcher Ärztegesellschaft veröffentlichte der Rheumatologe Michael Andor eine Stellungnahme, in der er sich gegen «pauschale Unterstellungen» wehrte. Und in einem «10 vor 10»-Beitrag spielten die Ärzte Felix Huber und Urs Stoffel den Ball zurück: Beide monierten, dass die Krankenversicherer durch ihre Kontrollanforderungen den bürokratischen Aufwand gleich selber nach oben treiben. Dem widerspricht nun der Verband Santésuisse – insbesondere mit dem Hinweis, dass es dafür ja wiederum eigene Abrechnungspositionen gibt.
Hier die Stellungnahme von Sandra Kobelt, Leiterin der Abteilung Politik und Kommunikation von Santésuisse:
Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass im Tarmed bereits mehrere Positionen für die Abrechnung administrativer Belange und die Korrespondenz zwischen Krankenversicherern und Ärzten bestehen:
- 00.2255: Verlangter kleiner Arztbericht an den Versicherer.
- 00.2285: Nicht formalisierter Bericht, 11 bis 35 Zeilen Text (gilt auch für den Schriftverkehr unter Ärzten betreffend Befund, Diagnose, Therapien, Prognose über den Heilungsverlauf und weitere Massnahmen den Patient betreffend).
- 00.2295: Nicht formalisierter Bericht, jede weiteren 35 Zeilen Text.
- 00.2260 Kopien an den Versicherer.
- 00.2265 Kopien von grossem Umfang und/oder Kopien von Bildträgern an den Versicherer.
Die Position 00.00140 ist eben weder überprüfbar noch direkt zuordenbar und kann praktisch unlimitiert verrechnet werden. Entsprechend ist auf dieser Position eine sehr starke Wachstumsdynamik auszumachen.
Reform ist notwendig
Es geht hier im Übrigen weder um Missbrauch noch darum, dass Ärzte nicht koscher abrechnen würden; sondern darum, dass im Arzttarif Fehlanreize bestehen, die denn auch ausgenutzt werden. Eine Reform des Tarifs ist deshalb notwendig.
Und zu guter Letzt gilt es die gesetzlich geregelte Rollenverteilung zwischen Ärzten und den Krankenversicherern zu beachten.
Die Krankenversicherer sind verpflichtet, zu kontrollieren: Sie üben die Rechnungskontrolle und die Wirtschaftlichkeitsprüfung aus. Der Verband Santésuisse nimmt mit Hilfe der Wirtschaftlichkeitsprüfung eine Kontrolle des Abrechnungs- und Leistungsverhalten der Arztpraxen vor.
Beide Kontrollinstrumente sind gesetzlich festgelegt. Die Versicherer müssen diesem gesetzlichen Auftrag nachkommen.
Mehrkosten vor allem wegen Mengenausweitung
Die Ausgaben der obligatorischen Krankenpflegeversicherung belaufen sich mittlerweile auf über 30 Milliarden Franken pro Jahr. Kostentreiber sind neben den Medikamenten die Arztkosten und die Kosten im Spital ambulanten Bereich.
Der Arzttarif für ambulante Leistungen mit 4’600 Einzelleistungen ist seit 2004 in Kraft. 2006 beliefen sich die Tarmed-Bruttoleistungen noch auf 5,7 Milliarden Franken. In der Zwischenzeit sind diese auf rund 10 Milliarden Franken angestiegen. Die Kostenentwicklung im Umfang von 4 bis 4,5 Prozent pro Jahr ist vor allem eine Mengenausweitung.
Kostenträger sind verpflichtet, alles zu unternehmen, dass der Anstieg gebremst wird. Das sind wir dem Prämienzahler schuldig.