Homöopathie: So klärt uns dieser Arzt über die «Globukalypse» auf

Die Popularität von Homöopathie-Produkten scheint ungebremst zu steigen. Doch bei den Ärzten in der Schweiz bröckelt der Glaube daran. In Deutschland wollen Mediziner die Zusatzbezeichnung jetzt sogar ganz abschaffen.

, 9. Mai 2018 um 04:00
image
Im Nachbarland Deutschland ist derzeit erneut ein Streit um die Homöopathie entbrannt. Der Grund: Eine Gruppe Mediziner und Wissenschaftler hat vorgeschlagen, den Ärzten in Deutschland das Gütesiegel «Homöopathie» zu streichen. Dieser Tage soll sich nun auch der Deutsche Ärztetag mit der alternativmedizinischen Zusatzbezeichnung befassen.
«Der Ärztetag ist eine gute Gelegenheit, dem eigenen Anspruch an Wissenschaftlichkeit gerecht zu werden und endlich mit der Adelung der esoterischen Heilslehre Homöopathie Schluss zu machen», steht auf der Webseite der Expertengruppe. Auch wenn Homöopathie im Wissenschaftsbetrieb präsent sei, sei sie nicht wissenschaftlich fundiert», heisst es weiter.  


Befürworter: Mehr als «Voodoo-Rasseln»

Homöopathie-Gegner argumentieren generell, dass grosse internationale Wissenschaftsvereinigungen in klinischen Studien keine ausreichenden Belege für eine Wirksamkeit der Homöopathie feststellen konnten. Bei den Befürworter hingegen ist die Behandlung weit mehr als «Voodoo-Rasseln»: Die Methode sei ganzheitlich und wirke, das zeige die tägliche Praxis. Und auch sie ziehen irgendwelche Studien heran, die Heilerfolge nachweisen können.
Der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte (DZVhÄ) verweist bei der Debatte gerne auf die Schweiz. Seit weniger als einem Jahr werden hier Leistungen der Komplementärmedizin von der Grundversicherung bezahlt. Einzige Bedingung: Ein Facharzt mit einer entsprechenden Weiterbildung muss die Zuckerkügelchen verschreiben. Homöopathie hat sich somit zu den KVG-Pflichtleistungen gesellt, die wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sein sollten. 

Was Homöopathie mit der Börse gemeinsam hat

Die Gesamtkosten für sämtliche gedeckten Alternativmethoden pro Jahr betragen laut Schätzungen zwischen 30 und 50 Millionen Franken. Das ist zwar ein Klacks angesichts der Gesundheitskosten von über 80 Milliarden Franken pro Jahr. Doch insbesondere die Homöopathie verursache nur unnötige Gesundheitskosten, sagen die Kritiker. Und die Verfechter weisen auf die Folgekosten hin: Weil Patienten zuerst erfolglos auf Alternativmedizin setzen und schulmedizinische Behandlungen zu spät oder gar nicht beginnen.
Kosten hin oder her: Was fehlt ist die herkömmliche wissenschaftliche Evidenz der Homöopathie, die über irgendein Placebo hinaus geht. Kein Mensch würde sich in ein Flugzeug setzen, wenn wissenschaftliche Nachweise bei der Flugsicherheit zu einer derart gespaltenen Klarheit führen würde. Wie auch immer: Die Zuckerkügelchen sind populär. Und es scheint für die Anbieter ein einträgliches Geschäft zu sein. Das Businessmodell erinnert ein wenig an die technische Analyse von Aktienkursen. Auch hier steht das Kundenbedürfnis über den wissenschaftlichen objektiven Kriterien, wenn Chartanalysten aus den Zickzack-Bewegungen Prognosen ableiten. 

Ärzte wenden sich von Alternativmedizin ab 

In der Schweiz glauben jedenfalls immer weniger schulmedizinisch ausgebildete Ärzte an die Homöopathie. Die FMH-Zulassungen für entsprechend tätige Ärzte sind seit über zehn Jahren rückläufig: Waren es im Jahr 2005 noch fast 300 Ärztinnen und Ärzte, sind es heute gerade noch rund 200. Obwohl die Anzahl der Ärzte in den letzten acht Jahren um über 6'700 Mediziner gewachsen ist. 
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den anderen Methoden. Es sieht so aus, dass sich Schulmediziner mehr und mehr von komplementärmedizinischen Angeboten verabschieden. So liegt das Geschäft hauptsächlich in den Händen der anderen Alternativmediziner, die mit zum teils höchst kreativen Behandlungsmethoden zusatzversicherte Patienten behandeln.
image
HNO-Arzt Lübbers entdeckte zehn Globuli-Kügelchen im Ohr eines vierjährigen Kindes. | Informationsnetzwerk Homöopathie

Jetzt kommt die «Globukalypse»

Ein Arzt, der Homöopathen den Kampf ansagt, ist der deutsche Mediziner Christian Lübbers. Der Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde mit Praxis in Oberbayern gehört zu den grossen Kritikern der Homöopathie, seit der 39-jährige zehn Globuli-Kügelchen im Ohr eines vierjährigen Kindes entdeckte. Das Mädchen war an einer eitrigen Mittelohrentzündung erkrankt.
Damals wäre Lübbers fast der Kragen geplatzt. Seitdem engagiert er sich ehrenamtlich in der Aufklärung über die Homöopathie. «Meine Motivation als Arzt ist es, eine ehrliche Medizin für alle Patienten anzubieten.» So verführerisch die Ideen zur Homöopathie auch klingen mögen, erfahre er täglich leidvoll in der Praxis, dass Globuli bei Erkrankungen eben nicht helfen und keine Besserung bringen.
Auf der Plattform Twitter berichtet der Arzt aus Weilheim auf humorvolle Art über Homöopathie und deren Befürworter. Hier ein paar Müsterchen: 
  • Mehr Twitter-Nachrichten von Dr. Christian Lübbers finden Sie hier
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Behördenvorgaben: Ärzte beklagen überflüssigen Aufwand

Mehr Arbeitszeit für Dokumentation, weniger ärztliche Arbeitszeit bei den Patienten: Dieser Trend setzte sich auch im letzten Jahr fort.

image

Britischer Arzt wollte mit falscher Covid-Impfung morden

Ein Arzt ist zu mehr als 31 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Er wollte den Partner seiner Mutter mit einer Gift-Injektion umbringen.

image

Bilden Sie sich mit aktuellem Wissen in der Suizidprävention weiter

Ziel des neuen CAS Suizidprävention am Departement Gesundheit der ZHAW ist es, Suizidgedanken frühzeitig zu erkennen und Interventionen einzuleiten. Teilnehmende lernen dies in interprofessioneller Weiterbildung mit Fachpersonen aus Gesundheits-, Bildungs- und Sozialberufen.

image

Plädoyer für die Teilzeit-Krankschreibung

Es sei überholt, dass man nur ganz krank oder gar nicht krank sein kann, findet der oberste Arzt Deutschlands.

image

Ehemaliger HUG-Chefarzt und Covid-Experte wechselt zu Privatspital

Jérôme Pugin wurde in Genf bekannt als Intensivmediziner und Symbolfigur im Kampf gegen Covid. Nun wird er medizinischer Direktor des Hôpital de La Tour.

image

Bundesrat regelt das militärische Gesundheitswesen

Bisher fehlten in der Schweiz spezielle Regeln für das militärische Gesundheitswesen. Nun will der Bundesrat diese Lücke füllen.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.