Adipositas ist auch vererbbar – irgendwie: Diese Aussage lässt sich aus einer neuen Studie aus England ziehen. Danach gibt es fassbare Parallelen zwischen dem Übergewicht der Elterngeneration und jenem der Kindergeneration.
Vor allem: Dieser Zusammenhang ist offenbar besonders gross bei den Kindern mit besonders hohem Übergewicht. Hier sollen die Anlagen der Eltern zu 55 bis 60 Prozent dafür verantwortlich sein, dass der Body-Mass-Index zu hoch ist.
Dies besagt eine Kohortenstudie, welche zwei Forscher der Universität Sussex durchführt haben. Dabei nahmen Peter Dolton und Mimi Xiao Daten zur Grösse und Gewicht von 100'000 Kindern respektive von deren Eltern. Die kulturübergreifende Arbeit erfasste Familien in Grossbritannien, den USA, China, Indonesien und Mexiko.
In Zahlen ausgedrückt: Die intergenerationelle Übertragung des Body-Mass-Indizes ist recht stabil bei 0,2 pro Elternteil. Der BMI eines Kindes ist also im Schnitt zu 20 Prozent von der Mutter und zu 20 Prozent von der Vorlage des Vaters beeinflusst.
Dieses Muster gilt ebenfalls sehr unabhängig vom Land und seiner ökonomischen Entwicklung.
«Unsere Ergebnisse kamen zustande, nachdem wir die Daten in Ländern mit sehr unterschiedlichen Mustern in der Ernährung und beim Übergewicht durchkämmt hatten»,
sagt Peter Dolton, Ökonomieprofessor an der University of Sussex. «Sie reichten von einer Bevölkerung mit sehr hohem Anteil an Übergewichtigen – den USA – bis zu zwei Ländern, die am anderen Ende der Weltskala stehen, China und Indonesien.»
Offen bleibt die genetische Frage
Es zeige sich also, dass die Abhängigkeit des Gewichts von den Eltern in verschiedenen Kulturen gleich stark ist. Ebenfalls länderübergreifend war das Ergebnis, dass die Eltern-Kind-Korrelation bei «schwereren» Kindern stärker war. Bei den leichtesten Kindern liess sich der BMI zu je 10 Prozent auf Mutter und Vater zurückführen – bei den Nachkommen mit dem höchsten Gewicht lag der Faktor eher bei 30 Prozent.
Eine wichtige Unterscheidung wurde in der Studie allerdings nicht verfolgt: Nämlich was daran genetisch bedingt ist – und wie weit die Eltern-Kind-Parallelen eine Folge der Ernährung in der Familie und des Lebensstils sind.
Dennoch lassen sich konkrete Konsequenzen ziehen: Man bekommt eine klarere Vorstellung davon, wie sehr Übergewicht die Folge von familiären Einflüssen ist – und wie sehr (oder eben weniger) es sich aus Entscheidungen des Individuums ergibt.
Deutschlands Internisten wollen, dass Adipositas als Krankheit anerkannt wird – und entsprechend im Gesundheitssystem finanziert wird.
Fast 17 Prozent der Erwachsenen in Deutschland sind stark übergewichtig. Und Adipositas ist bekanntlich ein entscheidender Risikofaktor für die Entstehung weiterer Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bestimmten Krebsarten und Diabetes Typ 2.
Dabei kann eine frühzeitige Gewichtsreduktion Abhilfe schaffen und erste Zeichen der Krankheit sogar heilen. An einer Pressekonferenz in Berlin plädierte die «Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin» nun dafür, Adipositas verstärkt als Krankheit wahrzunehmen und anzugehen.
«Das Gesundheitssystem hat damit eine gewaltige Aufgabe zu bewältigen, die voraussetzt, dass die Gesellschaft und die Mediziner starkes Übergewicht als Erkrankung anerkennen und behandeln. Betroffene dürfen nicht sich selbst überlassen sein», sagte Petra-Maria Schumm-Draeger, die Vorsitzende der DGIM.