Swissmedic erteilt die Zulassung für den Covid-19 Impfstoff von Pfizer/Biontech für 12- bis 15-Jährige, dies teilte das Bundesamt für Gesundheit heute in einer Medienmitteilung mit. Kinder gegen Covid-19 impfen – ja oder nein? Darüber wird gerade viel diskutiert. In Deutschland noch hitziger als hierzulande. Im Nachbarland sollen ab dem 7. Juni Jugendliche ab 12 Jahren eine Corona-Impfung bekommen können. Die EU-Kommission hat – nach der positiven Prüfung durch die EU-Arzneimittelbehörde – den ersten Corona-Impfstoff, Comirnaty von Pfizer/Biontech, für Kinder ab zwölf Jahren genehmigt.
Dass jetzt auch die 12- bis 15-Jährigen in der Corona-Impfkampagne einbezogen werden, kommt bei vielen niedergelassenen Ärzten in Deutschland nicht gut an. Es dürfe nicht sein, dass Kinder und Jugendliche, die jetzt schon zu den Verlierern der Pandemie gehören, auch noch zu Impfungen mit unklarem Nutzen für diese Altersgruppe gedrängt würden, lautet die Kritik. Die Politik mache lediglich Impfangebote und die Ärzte dürften es ausbaden, da sie die Beratung und die Termine für die Impfung zu gewährleisten hätten.
Mischt sich die Politik zu sehr ein – werden die Ärzte bei der Impffrage bezüglich Kinder und Jugendliche zu wenig miteinbezogen? Medinside fragte bei Christoph Aebi, Kinderinfektiologe am Inselspital Bern, Vorstandsmitglied von Pädiatrie Schweiz und Mitglied der Eidgenössischen Impfkommission (EKIF), nach: «Das ist sicher so. Andererseits haben alle Ärztinnen und Ärzte die Möglichkeit, sich gesundheitspolitisch zu engagieren. Von den 15 Mitgliedern der EKIF sind fünf Kinderärzte.»
«Problem ist, dass wir nicht im Voraus wissen, wen ein schwerer Verlauf trifft»
Auch wenn eine Covid-19-Erkrankung für die meisten Kinder banal verläuft, sieht Aebi keinen Widerspruch darin, sich zu überlegen, ob und wie die Covid-19-Impfung für Kinder sinnvoll ist. Grundsätzlich würden die meisten impfpräventablen Krankheiten die meisten Menschen nur als harmlose Erkrankungen treffen (etwa Polio, Keuchhusten, Masern). «Problem ist, dass wir nicht im Voraus wissen, wen ein schwerer Verlauf trifft», sagt der Kinderinfektiologe. «Wir brauchen die Verfügbarkeit wirksamer und sicherer Impfstoffe für Kinder und Jugendliche, damit wir sie bei Bedarf einsetzen können.»
In einigen Kantonen können sich bereits alle Personen ab 16 Jahren impfen lassen. Der Kanton Aargau etwa verzeichnet knapp 4000 Personen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren, die sich für die Impfung registriert haben oder die schon mindestens einmal geimpft worden sind. Auch im Thurgau werden 16-Jährige bereits geimpft: Bisher haben 640 Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren mindestens eine Impfung erhalten – weitere 222 Personen mit Jahrgang 2004 und 2005 stehen auf der Warteliste.
Aebi sagt: «Wir sprechen in der Schweiz gegenwärtig nicht von genereller Impfung aller Kinder; für die 0- bis 12-Jährigen lohnt es sich noch nicht, darüber zu spekulieren, weil wir noch nicht einmal die Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten aus den Zulassungsstudien haben.»
Nutzen-Risiko-Verhältnis?
Auch in Deutschland kommen Mediziner
in einem Positionspapier zu folgendem Fazit: «Für Deutschland ergibt sich zum aktuellen Zeitpunkt keine wissenschaftliche oder medizinische Basis für eine generelle Impfempfehlung von Kindern und Jugendlichen.» Viele Ärzte im Nachbarland sehen keinen Grund zur eiligen Impfung von Kindern und stellen das Nutzen-Risiko-Verhältnis infrage, wie aus deutschen Medien hervorgeht. Auch Aebi ist der Meinung, das Nutzen-Risiko-Verhältnis sei nicht einfach abzuschätzen – dazu hänge es von individueller Gewichtung ab. «Richtig ist, dass es keinen Grund zur eiligen Impfung bei den unter 12-Jährigen gibt.»
In den USA, wo seit dem 10. Mai 12- bis 15-Jährige geimpft werden, setzen einige Schulen auf Maskottchen, Preise und Wettbewerbe, um die Jugendlichen dazu zu bewegen, sich vor den Sommerferien gegen Sars-CoV-2 impfen zu lassen. Aebi, der mehrere Jahre in den Vereinigten Staaten gearbeitet hat, meint zu solchen Anreizen: «Die Mentalitäten sind nicht vergleichbar. In der Schweiz gibt es so etwas hoffentlich nie.»
Schwere oder tödliche Covid-19-Verläufe bei Kindern und Jugendlichen
Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie verzeichnete 1548 stationäre Aufnahmen von Kindern sowie Jugendlichen und 74 intensivpflichtige Fälle (bis 23. Mai 2021). Über 50 Prozent waren jünger als drei Jahre und 37 Prozent waren jünger als ein Jahr. Zweidrittel der Minderjährigen auf den Intensivstationen hatten schwere Vorerkrankungen. Bisher starben 20 Kinder und Jugendliche im Alter bis 19 Jahren an oder mit Covid-19. Im Jahr 2019 starben 55 Kinder bei Verkehrsunfällen, 25 ertranken. Somit mussten innerhalb der vergangenen 16 Monate weniger als 0,01 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland wegen Covid-19 stationär aufgenommen werden – weniger als 0,00002 Prozent starben daran.
Und wie sieht es mit Zahlen bezüglich Hospitalisation, Intensivstation und Todesfälle bei Kindern und Jugendlichen in der Schweiz aus? Medinside fragte beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) nach. Gemäss einer Stichprobe von 19 Spitälern, darunter auch Universitätsspitäler, gab es bei den 0- bis 5-Jährigen 293 Hospitalisationen – 18 davon waren intensivpflichtige Fälle. Bei den 6- bis 11-Jährigen wurden 94 hospitalisiert; 24, 5 Prozent mussten intensivmedizinisch versorgt werden. Von den 154 hospitalisierten Jugendlichen (12 bis 18 Jahre) wurden rund 15 Prozent auf der Intensivstation behandelt. Die Daten stammen aus dem Überwachungssystem Covid-19 Hospital Based Surveillance (CH-SUR). Das BAG lässt die Frage, ob und wie viele Kinder sowie Jugendliche in der Schweiz an oder mit Covid-19 gestorben sind, unbeantwortet.
Christoph Aebi weiss: «In der Schweiz haben wir 2,2 Prozent aller Covid-19-Patienten im Alter von 0 bis 9 Jahren hospitalisiert.» Gemäss ihm mussten hierzulande schätzungsweise 150 Kinder mit dem systemischen Inflammationssyndrom (PIMS) hospitalisiert werden, davon rund 50 Prozent mit Bedarf an Intensivbehandlung.
Quellen
Studien Corona-Impfstoffe für Kinder und Jugendliche
> Forscher von Stanford Medicine haben damit begonnen, Kinder, die jünger als 12 Jahre alt sind, in
klinische Studien einzuschreiben, um ihre Reaktionen auf den Covid-19-Impfstoff von Pfizer/Biontech zu untersuchen.
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Studie zum Corona-Impfstoff von Moderna