Kurz vor Ablauf der Vernehmlassungsfrist nehmen Ärzte und Verbände Stellung zum beabsichtigten Tarifeingriff des Bundesrates. Die Ärztevereinigung FMH
lehnt den Eingriff entschieden ab.
«Auf den Vorschlägen der Versicherer»
Die GAeSO argumentiert insbesondere, dass mit dem subsidiären Tarifeingriff keine Sachgerechtigkeit vorliege. «Der Eingriff basiert ausschliesslich auf den Vorschlägen der Versicherer, was bereits die gesetzlich bedingte Sachgerechtigkeit von vorne weg ausschliesst», schreibt
GAeSO-Vorstandsmitglied und Rechtsberater Michel Meier.
Die Parallelen zwischen dem Eingriff 2014 und dem geplanten seien augenfällig, so der auf Gesundheitsrecht spezialisierte Rechtsanwalt weiter. Und: «Der geplante Tarifeingriff ist KVG-widrig und damit nicht umzusetzen.»
In einer Stellungnahme für Medinside nimmt GAeSO-Vorstandsmitglied Michel Meier Stellung zu den drei wichtigsten Fragen zum Tarifeingriff:
lic. iur. Michel Meier
Rechtsberater/Vorstand GAeSOMichel Meier ist im Vorstand der Gesellschaft der Solothurner Ärztinnen und Ärzte (GAeSO). Er ist Rechtsanwalt mit Praxis in Olten und auf Gesundheitsrecht spezialisiert. Die GAeSO vertritt die Interessen von rund 700 diplomierten Ärztinnen und Ärzten im Kanton Solothurn.
1. Warum darf der Bundesrat keine subsidiären Eingriffe machen?
Mit dem Urteil des Luzerner Schiedsgerichts* wurde umfassend und detailliert dargelegt, unter welchen Umständen der Bundesrat einen subsidiären Eingriff in den bestehenden Tarif vornehmen darf. Unabhängig von der Frage der Rechtskraft kommt das Urteil unter Einbezug der rechtlichen aber auch der politischen und gesellschaftlichen Überlegungen klar zum Schluss: Der Eingriff muss immer zu einem sachgerechteren Tarif führen. Und die lineare Kürzung ist weder betriebswirtschaftlich noch sachgerecht. Damit war der Tarifeingriff von 2014 gesetzeswidrig.
Die gleiche Frage stellt sich nun auch für den geplanten Tarifeingriff per Anfang 2018: Auch hier muss der Eingriff zu einem sachgerechteren Tarif führen. Wie die FMH
in der Medienmitteilung vom Dienstag schon zu recht feststellte, passiert das aber wiederum auch nicht. Die Parallelen und Grundlagen zum Eingriff 2014 sind offensichtlich.
Überdies fehlt dem Bundesrat die Datengrundlage, die er an sich hätte erheben können, um die die effektiven Berechnungen für den Tarifeingriff anzustellen. So handelt es sich lediglich um Kürzungen im Tarif, die weder begründet noch belegt sind. Dieses Vorgehen ist umso stossender, wenn man sich vor Augen führt, dass der Tarif nicht auf Sachgerechtigkeit geprüft wurde. Das Resultat – Einsparungen von 700 Millionen Franken – wurde stattdessen einfach vorne weg genommen. Mehr noch: Die Versicherer setzten die Grundlage für diesen Tarifeingriff ohne dass die Leistungserbringer dazu vorgängig angehört wurden. Das ist rechtstaatlich nicht vertretbar und der Tarifeingriff ist aus der Optik des KVG damit widerrechtlich.
2. Warum macht er dies trotzdem? Was tut die Ärzteschaft dagegen?
Es ist zu hoffen, dass der Bundesrat die Begründung des Luzerner Urteil ernst nimmt, und auf den Erlass der Verordnung verzichtet, wie dies von Fachgesellschaften, den kantonalen Gesellschaften und eben auch der FMH gefordert wird.
Sollte der Bundesrat dennoch die Anpassungsverordnung anpassen (das kann man nicht schöner schreiben), so werden wir auf der Seite der Leistungserbringer prüfen müssen, welchen Tarif zur Anwendung gelangt. Einen widerrechtlichen Tarif werden wir nicht anwenden wollen. Konkret steht dann auch der Beschwerdeweg offen, wie er im Luzerner Urteil gegangen wurde.
3. Warum ist der Eingriff so oder so falsch?
Letztlich ist der subsidiäre Tarifeingriff nicht nur widerrechtlich, sondern auch inhaltlich falsch. Einerseits wird da die Grundversorgung ungenügend gestützt, anderseits werden die einzelnen Positionen nicht konkret mit den effektiven Daten hinterfragt und entsprechend korrigiert. Selbst der Bundesrat hat anerkannt, dass das Referenzeinkommen aus dem Jahr 2004 (Genehmigung Tarif) durch die Grundversorger, Kinderärzte oder Psychiater nicht verdient wird, obschon die Lebenserhaltungskosten gleichzeitig gestiegen sind.
Für den Kanton Solothurn bedeutet diese konkret, dass wir aktuell den Taxpunktwert um acht Rappen erhöhen müssen, um das fast 15 Jahre alte Einkommen zu erhalten. Es ist daher richtig, wenn der Bundesrat die Tarifautonomie der Vertragspartner berücksichtigt und zurückhaltend in den komplizierten Mechanismus eingreift.
Es wäre an dieser Stelle interessant zu erfahren, was mit den Prämien passiert, wenn doch der Bundesrat 700 Millionen Franken einsparen will, diese dürften dann doch im Herbst sinken. Auf jeden Fall führt der geplante Tarifeingriff zu keinem sachgerechteren Tarif, auch wenn das vielleicht bei einzelnen Positionen zufällig wären. Der FMH ist Recht zu geben, wenn sie diesen ablehnt.