Die Diskussion läuft seit längerem: Spitäler nehmen bei Zusatzversicherten bestimmte Eingriffe verdächtig häufig vor – und das öfter stationär statt ambulant.
Die Hauptkritiker an dieser Praxis sind dabei bekanntlich die Versicherer, zum Beispiel die Einkaufsgemeinschaft von Helsana, Sanitas und KPT. Sie forderte vor kurzem, dass ambulante und stationäre Behandlungen nach dem gleichen Modell abgerechnet werden sollten.
«Es wäre Aufgabe der Versicherer…»
Der Haken daran ist: Die Krankenversicherer profitieren, weil der Kanton bei stationären Aufenthalten kräftig mitfinanziert. Genau diesen Punkt findet der Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf «extrem stossend», wie er jetzt
in einem Interview mit der «Luzerner Zeitung» erklärt. Die Krankenversicherer sollten «zuerst vor der eigenen Türe kehren», sagte der CVP-Politiker. Es stimme doch etwas nicht, wenn bei bestimmten Eingriffen über die Zusatzversicherung noch einmal das Doppelte oder Dreifache abgegolten werde: «Es wäre die Aufgabe der Krankenversicherer, hier einzugreifen.»
Was er sich von Alain Berset wünscht
Das KVG verlange, dass die Versicherer die Wirtschaftlichkeit, Zweckmässigkeit und Wirksamkeit einer Behandlung überprüfen müssten. Sie sollten nicht dafür schauen, in welchem Fall sie weniger bezahlen müssen oder ob der Patient zusatzversichert ist, findet der Luzerner Gesundheitsdirektor.
«Die Krankenversicherer müssen endlich ihren Job machen und ungerechtfertigte Rechnungen zurückweisen.» Zudem wünscht sich Guido Graf endlich auch ein klares Votum des Gesundheitsministers Alain Berset.
«Zahlungskräftige Klientel nicht vergraulen»
Ambulant vor stationär: Diese Forderung liesse sich mit einer konsequenten Kontrolle und entsprechenden Sanktionen lösen, erklärte der 58-jährige Luzerner Politiker.
Er habe aber – ehrlich gesagt – wenig Vertrauen in eine Lösung seitens der Versicherer. «Machen wir uns nichts vor», sagte er. Und weiter: «Ich befürchte, dass die Versicherer ihre zahlungskräftige Klientel nicht vergraulen wollen.»
Was kantonale Mitfinanzierung bringt
Das derzeit erarbeitete Finanzierungsmodell des Bundes, den gleichen Kostenteiler für beide Bereiche anzuwenden, hält Guido Graf für keinen guten Vorschlag. Für die Spitäler bleibe der Anreiz gleich: «Wer bezahlt, ist den Häusern egal. Entscheidend ist, wie viel sie bekommen.»
Die Umstellung des Systems würde einen extrem hohen Verwaltungsaufwand generieren. «Die kantonale Mitfinanzierung bringt ausser viel Administration nichts», so Graf. Mehr noch: ein solches Modell sei eine Kostenverschiebung von der Krankenversicherung zu den Kantonen.
Grafs Rezept für die Zukunft
Ab 2017 will der Gesundheitsdirektor die Spitäler in die Pflicht nehmen. «Wir sind daran abzuklären, ab Mitte des kommenden Jahres selber zu prüfen, ob eine Leistung nicht hätte ambulant erbracht werden können.» Entsprechende Pläne hat bekanntlich auch der Kanton Zürich.
Von den Krankenversicherern wünscht sich Graf sich einfach, dass sie nach Recht und Gesetz handeln. Sie sollten gewährleisten, dass alle Spitäler in etwa die gleichen Bedingungen haben. Sein Rezept dazu: Transparenz.
Massive Kostenunterschiede
Die «Luzerner Zeitung» nannte Beispiele, welche die Einkaufsgemeinschaft der Helsana, Sanitas und KPT vor kurzem an einer Fachtagung präsentierte:
Knie-Arthroskopie:
Privatversicherte im Alter von 40 - 49 Jahren werden elfmal häufiger stationär als Allgemeinversicherte behandelt. Die Kosten für einen stationären Eingriff für Privatversicherte: 10'000 Franken – stationär, halbprivat: 7'200 Franken. In der Grundversicherung sind die Kosten für einen ambulanten Eingriff bei 2'350 Franken.
Krampfadern-Eingriff:
Guido Graf erwähnte im Interview das Beispiel eines Krampfadern-Eingriffs: ambulant: 2’600 Franken; stationär, Grundversicherung: 7’400 Franken; stationär, Zusatzversicherung: 20’000 Franken.
Das Beratungsunternehmen
PwC hat
vor kurzem errechnet, dass sich rund 1 Milliarde Franken einsparen liesse, wenn der Grundsatz ambulant vor stationär konsequent befolgt würde.