Hausarzt kritisiert Institut für Weiter- und Fortbildung

Ein junger Mediziner stellt fest: Spezialisten entwickeln eine Sprache, die sich vom ärztlichen Tagesgeschäft entfernt. Und er fragt sich, ob das SIWF wirklich seiner eigenen Standesorganisation angehöre.

, 18. März 2022 um 12:55
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Das Schweizerische Institut für ärztliche Weiter- und Fortbildung in Bern. | SIWF   
Raffael Braun fühlt sich vom Schweizerischen Institut für ärztliche Weiterbildung und Fortbildung (SIWF) zunehmend «befremdet». Der Hausarzt aus dem Kanton Bern nennt als Grund «diverse Beiträge» des SIWF in der «Schweizerischen Ärztezeitung». Er habe sich wiederholt gefragt, ob diese Organisation wirklich seiner eigenen Standesorganisation angehöre.
Braun schildert ein Beispiel und bemängelt die «exklusive Sprache» in einem Beitrag über «Kompetenz-basierte Bildung». Als Nichtwissender zuerst über die spezielle Semantik aufgeklärt zu werden, zeige ihm: Diese Organisation befindet sich mit einiger Sicherheit schon relativ weit weg von seinem Alltag.

Sehnt sich nach alter Prüfung zurück

Der 35-jährige Arzt kritisiert auch die Sinnhaftigkeit der Facharztprüfung. So lautete eine Übungs-Aufgabe, man soll bitte die geeignete antibiotische Therapie einer «Kunstklappen-MRSA-Endokarditis» ankreuzen. «Ich bin noch auf der Suche nach einem Kollegen, der diese Fragestellung ernsthaft in seiner ambulanten Praxis antraf, vielleicht kennt das SIWF jemanden?», schreibt er und stellt fest, er habe hier nicht das absurdeste Beispiel ausgewählt.
Raffael Braun sehnt sich nach der alten mündlichen Facharztprüfung zurück. Diese sei zwar ein Stück weit ungerecht. «Doch uns angehenden Hausärzten darf die Erkenntnis zugestanden werden, dass eine Prise Ungerechtigkeit inhärenter Teil des Lebens ist.» Viel wichtiger ihm zufolge: Es wurde wenigstens ansatzweise geprüft, was man wissen und können musste.

A-Jahr statt allgemeinmedizinische Praxis?

Die grösste Absurdität ist für ihn, die Praxisassistenz, die man doch «vorzugsweise» besuchen soll. Er stört sich daran, dass man als angehender Hausarzt, seinen Fuss keine Sekunde in eine Allgemeinmedizinische Praxis gesetzt haben muss, aber zwingend ein A-Jahr vorweisen müsse. Er habe übrigens bis heute keine schlüssige Begründung gehört, wozu man ein A-Jahr brauche.
Der Facharzt für Allgemeine Innere Medizin FMH aus dem Kanton Bern erwartet vom SIWF keine Hilfe, wie er in seinem Beitrag in der aktuellen Ausgabe der «Ärztezeitung» schreibt. Aber im Minimum erwarte er, dass den angehenden Kollegen «keine Steine in den Weg gelegt werden.»

Was das SIWF dazu sagt

Das SIWF hält in einer Replik fest, dass die Spezialisten in Medizinischer Bildung in der Tat «beginnen eine Sprache zu entwickeln, die sich vom ärztlichen Tagesgeschäft zu entfernen droht».
Die Gründe dafür liegen gemäss SIWF auf der Hand und ziehen sich durch die gesamte Medizin: Unser sich ständig vermehrendes Wissen einschliesslich der dia­gnostischen und therapeutischen Möglichkeiten sei für Einzelpersonen nicht mehr überschaubar. Die Artikelserie in der SÄZ wolle den interdisziplinären Austausch fördern, indem die – allzu spezialisierte – Fachsprache in den klinischen Weiterbildungsalltag übersetzt werden soll.
Zur Prüfungsfrage mit der antibiotischen Therapie, die anscheinend zu schwierig für angehende Hausärzte sei, entgegnen Monika Brodmann Maeder und Jan Breckwoldt vom SIWF, dass bei keiner Prüfung verlangt werde, alle Fragen korrekt zu beantworten. Dies führe noch lange nicht zum Nichtbestehen. Und die Prüfung umfasse nicht nur Multiple-Choice-Fragen, sondern auch aus Kurzantwort-Fragen oder weiteren Fragetypen. Mit dieser Kombination sei diese Prüfung wahrscheinlich gerechter als eine mündliche Facharztprüfung, die viel subjektiver und wie Braun schreibt «ein Stück weit ungerecht» wäre.

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