Kommentar: Es fehlt an Glaubwürdigkeit

Einmal mehr droht ein wichtiges gesundheitspolitisches Reformprojekt zu scheitern. Daran ist auch die fehlende Unabhängigkeit der Politik schuld, kommentiert Medinside-Redaktor Basil Weingartner.

, 9. August 2019 um 09:19
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Im Schweizer Gesundheitswesen droht eine wichtige Reform zu scheitern oder zumindest verzögert zu werden. Einmal mehr. Und dies der drängenden Probleme und des grossen Kostendrucks zum Trotz. Dieses Mal ist es die Reform des Kostenschlüssels, über den die Akteure bis zur Blockade streiten. Und so könnte einmal mehr ein sinnvolle Idee - den Kostenschlüssel bei ambulanten und stationären Behandlungen anzugleichen - auf der Strecke zu bleiben.
Die Kantone sind zwar bereit, sich an den ambulanten Kosten zu beteiligen. Gleichzeitig wollen sie aber, dass sich die Versicherer an den Pflegekosten beteiligen. Letzteres wollen die Versicherer aber nicht. Sie wollen ihrerseits durchsetzen, dass die Kantone durch die Reform überdurchschnittlich belastet werden. Dass wollen die Kantone wiederum nicht. Beide Seite haben ihre Argumente - bessere und weniger gute. In der Summe vertritt einmal mehr jeder seine Partikulärinteressen. Eine Lösung im Sinne der Allgemeinheit zu finden, wird so stark erschwert.

Rotes Tuch und gute Zielscheibe

Der Politik kommt in solchen Momenten eine Schlüsselrolle zu. Es ist nun am Bundesparlament, breit abgestützte Vorschläge zu machen. Eigentlich. Denn in der Praxis sieht es anders aus. Die nationalrätliche Gesundheitskommission (SGK-N) konnte den Knoten nicht lösen. Nachdem sich SGG-N ganz auf die Seite der Versicherer stellt, drohen die Kantone bereits bereits frühzeitig mit dem Referendum.

Die SGK-N liefer Argumenten für ihr Modell. Doch sie hat dabei ein Legitimationsproblem, für das sie selbst verantwortlich ist. Aufgrund der Lobbymandate einer Vielzahl ihrer Mitglieder und des gesamten Präsidums für die Versicherungsbranche ist die SGK-N für die Kantone - die ihrerseits ihre eigenen Interessen vertreten - ein rotes Tuch und eine gute Zielscheibe.

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Basil Weingartner.

Unabhängigkeit sieht anders aus

Und tatsächlich: Wenn SGK-N-Vizepräsidentin Ruth Humbel (CVP) am Freitag in der NZZ die Kantone kritisiert, hat auch der neutralen Beobachter im Hinterkopf, dass Humbel auch ein Mandat der Concordia-Versicherung hat. Ebenso, dass der SGK-N-Präsident Thomas de Courten ebenso wie Sebatian Frehner (beide SVP) und Bruno Pezzatti (FDP) direkt mit der Groupe-Mutuel verbandelt sind, dass Lorenz Hess der Visana vorsteht und mit Heinz Brand (SVP) gar der Santésuisse-Präsident höchstpersönlich in der Kommission Einsitz nimmt. Unabhängigkeit sieht anders aus.

Brückenbauerin wäre gefragt

Und ja, es ist wichtig, dass die Gesundheitspolitiker mit dem Gesundheitssystem vertraut sind und wissen, wovon sie reden und worüber sie entscheiden. Gewisse Verknüpfungen zur Branche sind deshalb nicht zu vermeiden. Doch mehr Unabhängigkeit ihrer Mitglieder täte der Glaubwürdigkeit der SGK gut. Denn aktuell wirkt die Kommission manchmal wie ein Teil des Mächtespiels der Interessenvertreter, das die Gesundheitspolitik in unterschiedlichen Bereichen dominiert und lähmt. Und damit wird die SGK Teil des Problems - und ist nicht die Brückenbauerin, die derzeit so dringend gebraucht würde.
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