Liebe Patienten: Was soll denn in der Medizin erforscht werden?

In einer bemerkenswerten Aktion bemüht sich eines der renommiertesten Medizin-Organe um Input: von Patienten, ihren Betreuern, ihren Organisationen.

, 12. August 2015 um 09:00
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Für das «British Medical Journal» ist dies nur ein Anfang: «Wir übernehmen die Führung hier, und wir hoffen, dass andere Publikationsorgane uns folgen werden», schreibt das Organ der British Medical Association in seinem Aufruf. 
Dieser richtet sich an Patienten, Angehörige, Betreuungspersonen und Vertreter von Patientenorganisationen: Das BMJ will die Patientenorientierung («patient centredness») der veröffentlichten Forschungsarbeiten verbessern – und folglich sollen diese Stimmen jetzt auch stärker mitreden.

«Wir brauchen Ihre Hilfe»

«Wir brauchen Ihre Hilfe, um die Veränderung zu schaffen», so der Text des Editorials der 1840 gegründeten Stimme der evidenzbasierten Medizin. In den Patient Reviews, einer neuen Publikationsform, können die Kranken oder ihre Betreuer die veröffentlichten Beiträge aufgreifen und diskutieren.
Dafür kann sich jeder auf einer Formularseite eintragen und anmelden, in welchen Themenfeldern er oder sie seine Meinung abgeben möchte.
Eine Äusserung als Patient steht übrigens auch den medizinischen Profis offen, ob Wissenschaftlern oder klinisch tätigen Ärzten: Auch sie sollen die Möglichkeit haben, in ihrer Rolle als Patient oder Betreuer ein Thema aufzugreifen.
Im Hintergrund steht, dass «Patientenzentrierung» in den letzten drei bis fünf Jahren bekanntlich zu einer Leitlinie beziehungsweise einem Begriff mit stetig wachsender Verbreitung geworden ist. In der Schweiz manifestierte sich dies jüngst etwa am neuen Bundesrats-Bericht zur Stärkung der Patientenrechte

Sanfter Druck auf die Forscher

In Grossbritannien existiert seit fünf Jahren eine Stiftung und ein dazugehöriges Institut, die dafür sorgen sollen, dass die medizinische Forschung in einer Kultur stattfindet, bei der die Patientenzentrierung im Zentrum steht. Und diese Konstruktion hat konkrete finanzielle Folgen: Bis 2017 muss ein Regierungsbericht erarbeitet werden, der die staatlichen Forschungsausgaben in der Medizin unter diesem Gesichtspunkt beurteilt. 
Weshalb sich die Forscher jetzt schon die Frage stellen müssen, ob ihre Forschungsfragen und -Ergebnisse dem Anspruch der Patientenorientierung genügen. Die Frage, was dies nützt, stellt sich auf der anderen Seite umso drängender (und ist denn auch Thema eines Editorials im aktuellen BMJ).

Thomas W. Concannon, «Can patient centered outcomes research improve healthcare?», in: «British Medical Journal», August 2015.

Allerdings kontert im akuellen BMJ auch ein pensionierter Rheumatologe, Andrew Bamji: In seinem Meinungsbeitrag bezeichnet er in dem er die Patientenzentrierung schlicht als Oxymoron: «Für uns als Ärzte sind Patienten das, mit dem wir uns beschäftigen. Sowohl individuell wie als Berufsgruppe sind wir per definitionem patientenzentriert. Ich schaffe es nicht, zu erkennen, worin sich die sogenannte patientenzentrierte Forschung von der übrigen klinischen Forschung unterscheidet.»
Weshalb der pensionierte Arzt schliesslich fragt: «Liegt es bloss an mir – oder ist dieses Konzept vielleicht eine dieser "Des Kaisers neue Kleider"-Übungen, versehen mit einem komplexen Jargon?»
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