Die 61-jährige Ärztin Erika Preisig, die sich als Chefin der Organisation Eternal Spirit auch als Sterbehelferin betätigt, muss nicht wegen vorsätzlicher Tötung ins Gefängnis. Das hat das Baselbieter Strafgericht entschieden.
Preisig hatte 2016 eine psychisch kranke Frau in den Tod begleitet. Dabei hatte sie sich bewusst über die geltende Rechtsprechung hinweggesetzt: Sie schickte die Patientin in den Tod, ohne davor ein psychiatrisches Fachgutachten einzuholen. Die Staatsanwaltschaft liess nachträglich ein Gutachten erstellen, und dieses attestierte der Verstorbenen eine schwere Depression. Die Patientin sei deshalb nicht urteilsfähig gewesen.
Nicht genug qualifiziert für die Beurteilung des Sterbewunsches
Das Gericht kam zum Schluss, dass Preisig die Grundregel missachtet habe, dass sich Ärzte an die Grenzen der eigenen Kompetenzen zu halten haben. Preisig hat keine psychiatrische Ausbildung. Der Zweitgutachter, den sie beauftragte, hat offenbar auch kein Fachstudium abgeschlossen, sondern nur einen Kurs absolviert, der ihn für ein psychiatrisches Fachgutachten zu wenig qualifiziert.
In einem Interview mit der «Berner Zeitung» beurteilt Markus Zimmermann, Professor für christliche Sozialethik in Freiburg und Vizepräsident der Ethikkommission, die Sterbehilfe für psychisch Erkrankte als sehr heikel. Denn: Der Sterbewunsch sei oft Teil der Krankheit. Zum Beispiel bei einer Depression oder bei Magersucht.
Ärzte müssen versuchen, die Krankheit zu heilen, statt beim Sterben zu helfen
In solchen Fällen sei der Mensch nicht frei in seiner Entscheidung, sein Leben zu beenden. «Und folglich darf ich als Gesunder nicht mithelfen, den Sterbewunsch zu vollziehen, der auf der Krankheit gründet. Vielmehr muss ich versuchen, die Krankheit zu heilen», sagt Zimmermann im Interview.
Trotzdem schliessen die Schweizer Gerichte in ihrer Rechtsprechung die Sterbehilfe für psychisch Kranke nicht kategorisch aus. Denn psychisch Kranke, die sterben wollen, weil sie unerträglich leiden, dürfen nicht benachteiligt werden, nur weil sie psychisch statt körperlich krank sind. Solche Sterbewünsche müssen aber sehr sorgfältig abgeklärt werden.
Preisig nur in einem Nebenpunkt verurteilt
Die Sterbehelferin Erika Preisig hat das laut Gericht zu wenig sorgfältig gemacht. Trotzdem haben sie die Richter nicht wegen Tötung verurteilt, sondern nur in einem Nebenpunkt: Sie habe ein Rezept für das Sterbemittel ausgestellt, ohne den Gesundheitszustand der Patientin zu kennen. Als Ärztin zeige sie eine «nicht nachvollziehbare und nicht akzeptable Gleichgültigkeit» im Umgang mit dem tödlichen Medikament. Wegen diesem Verstoss gegen das Heilmittelrecht wurde sie zu 15 Monaten bedingt und 20 000 Franken Busse verurteilt.
Die Freiheitsstrafe sprach das Gericht in Muttenz bedingt auf vier Jahre aus. Während dieser Zeit darf Preisig zwar weiter als Hausärztin praktizieren und auch Sterbebegleitungen machen. Das Urteil verbietet ihr jedoch, in der Probezeit Personen mit psychischen Störungen oder Verhaltensstörungen Medikamente zur Sterbehilfe zu verschreiben.