Es war zu erwarten, dass sich die Ärzteschaft nach den neuen BAG-Zahlen melden
(zum Beispiel hierhier oder hier). Umso wichtiger ist es in der Debatte, aus der Fülle der Informationen die Fakten kritisch herauszuschälen. Für die Gesellschaft der Solothurner Ärztinnen und Ärzte (GAeSO) sind dies:
- Die Ärzteschaft hat während Jahren die Lohnerhebungen jährlich durchgeführt und publiziert, bis das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) der FMH diese Datenerhebung im 2013 untersagt hat.
- Im November 2016 bis März 2017 wurde vom Bundesamt für Statistik (BFS) der Auftrag aus dem Krankenversicherungsgesetz umgesetzt, über MARS/MAS umfassende Daten bei den Praxen einzuholen. Das Resultat wurde im April 2018 publiziert, mit den aktuellsten Zahlen, aber noch vor der Tariffestsetzung des Bundesrates, belief sich das Einkommen einer Praxis auf 155'000 Franken. Das BAG liess die Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) unkommentiert liegen, keine Medienmitteilung, keine Bemerkung, nichts.
- Letzte Woche bestätigte die FMH das Resultat des BFS mit den eigenen Zahlen.
- Just am Montag gab das BAG das Resultat der eigenen Studie (aus dem Büro Bass) bekannt, die offenbar seit Monaten fertiggestellt war (vgl. Datum auf der Studie).
Co-Präsident der Ärztegesellschaft nennt seine Finanzzahlen
Warum will in der heutigen Zeit niemand mehr Hausarzt werden? Warum werden Praxen aufgegeben, obschon gemäss BAG rund 257'000 Franken im Schnitt zu verdienen wäre? Laut der Solothurner Ärztegesellschaft
(GAeSO) zeigt dies wie realitätsfremd das eigene Bundesamt mit der Wahrheit umgeht. Beispiel gefällig?
In der Praxis von Co-Präsident Dr. F. Leupold wurde im Jahr 2017 mit einem 60-Prozentpensum ein Reingewinn von 60'525.78 Franken erwirtschaftet. Um mit zwei studierenden Söhnen und einem Haus über die Runden zu kommen, arbeitet der Arzt ausserhalb der Praxis – und ohne die Krankenkassen zu belasten – noch extern für den Kanton, in zwei Verwaltungsräten und führt zwei Berufsverbände. Da die BAG-Zahlen neben vielen anderen Mängeln unter anderem den Fehler machen, sich auf die AHV-pflichtigen Einkommen zu stützen, fliessen diese Zusatzeinkünfte fälschlicherweise in die jüngste BAG-Studie ein und gaukeln einen falsch hohen «Arztlohn» vor, dem das BAG dann die Prämienerhöhungen zuschiebt.
«Kann nur politisch motiviert sein»
Leider haben es
laut der Mitteilung der GAeSO die meisten Medien nicht für nötig empfunden, die ganze Vorgeschichte und die Relationen aus den vorstehenden Fakten herzustellen. «Stattdessen übernehmen sie nur die tendenziöse Medienmitteilung des BAG», schreibt GAeSO-Vorstandsmitglied Michel Meier.
Natürlich vertrete die GAeSO die Interessen der Ärzteschaft, welche täglich ihren Dienst an den Patienten leiste. Warum das zuständige Bundesamt sich aber offen gegen die eigenen Leistungserbringer stelle, könne nur politisch motiviert sein. Wäre die Bass-Studie neutral oder mindestens neutraler, so hätte das BAG laut GAeSO in der Medienmitteilung mitgeteilt, dass ...
- die Daten nicht nur vor dem zweiten Tarifeingriff bzw. -festsetzung erhoben wurden und bereits neun Jahre alt sind;
- es neuere Daten vom Bundesamt für Statistik gibt;
- die Studie die Einkommen hochrechnen musste, für ein 80-Prozent-Pensum einfach ein 100-Prozent-Pensum genommen wurde;
- sich an keiner Stelle eine Frage zur Qualität oder deren Messung gestellt wird;
- das Medianeinkommen bei rund 190'000 Franken liegt, während das BFS ein Praxeneinkommen von rund 155'000 Franken errechnet hat;
- nur Ärztinnen und Ärzte mit Facharzttitel und einem AHV-pflichtigen Einkommen berücksichtigt wurden, d.h. die gesamte Jungärzteschaft und die sich Ausbildung befindenden – das sind rund ein Viertel! - unbeachtet blieben.
Kritisch den Aussagen gegenüberstehen
Stattdessen werde – nachdem der Prämienherbst nicht den gewohnte Anstieg zeigte – nachgebessert, um die Revision im Krankenversicherungsgesetz weiter voranzutreiben und die beabsichtigte Staatsmedizin einzuführen.
«Wenn wir den Dienst am Patienten auch weiterhin mit einer hohen Qualität und möglichst kostengünstig anbieten wollen, dann benötigen wir die Unterstützung der Patienten». Diese erfahren ihrerseits täglich die Unterstützung ihrer Ärzteschaft und sollten kritisch den Aussagen gegenüberstehen, welche politisch motiviert jede Chance nutzen, falsche und unvollständige Informationen zu verbreiten, wie in der Mitteilung weiter steht.