Warum gewisse Menschen nie zum Arzt gehen

Es gibt «Patienten», die wegen jedem «Bobo» zum Arzt rennen. Es gibt aber auch Patienten, die Mediziner meiden – trotz Symptomen. Warum? Eine britische Studie nennt mögliche Gründe.

, 17. August 2016 um 10:04
image
  • forschung
  • praxis
In einer unlängst im «British Journal of General Practice» veröffentlichten Studie sind Forscher der Frage nachgegangen, warum Menschen entweder einen raschen oder aber zögerlichen Arztkontakt pflegen. 
Die qualitative Erhebung aufgegriffen hat jetzt das Online-Portal des medizinischen Fachverlags «Medical Tribune»In Interviews gaben insgesamt 62 ausgewählte Patienten an, seit mindestens drei Monaten unter mindestens einem von 14 «Krebsalarm-Symptomen» zu leiden. Nur: Die einen eilten zum Arzt, teils mehrfach – die anderen nicht.
Was war der Unterschied?
Die Argumente der Patienten, die immer noch nicht beim Arzt waren:

  • Keine unnötige Verschwendung der Zeit der überbeanspruchten Mediziner: Den Zeitdruck der Ärzte leiteten die Patienten unter anderem aus langen Wartezeiten in der Praxis ab, respektive aus den Schwierigkeiten, einen Termin zu erhalten.
  • Schlechte oder gar demütigend empfundene Arzt-Patienten-Kontakte in der Vergangenheit: Ärzte hätten sie herablassend, genervt oder abweisend behandelt, als sie wegen eines leichteren Symptoms um Hilfe baten.
  • Störung des Praxisbetriebes: Die zurückhaltenden Patienten dachten zudem, sie störten den Praxisablauf, wenn sie weitere, nicht zum vereinbarten Konsultationstermin passende Beschwerden vorbrächten. Dabei spielte auch der enge Zeitplan des Arztes und die vermeintlich für jeden Patienten reservierte Minutenzahl ein Rolle.
  • Vergleich mit anderen Patienten: Zudem dachten viele, der Arzt habe sehr viel kränkere Menschen zu behandeln als sie selbst.
  • Verharmlosung: Die Patienten dachten die Symptome seien harmlos, nicht durchgehend vorhanden oder ein Apotheker beziehungsweise anderes medizinisches Personal könne sich auch darum kümmern. 

Susanne K Cromme, Katriina L Whitaker, Kelly Winstanley, Cristina Renzi, Claire Friedemann Smith and Jane Wardle: «Worrying about wasting GP time as a barrier to help-seeking», in: «British Journal of General Practice», Mai 2016.
Die Argumente der Patienten, die ihre Symptome rasche Abklärung abgeklärt hatten: 

  • Aufgabe des Arztes: Die Patienten erklärten, ein Arzt sei doch dazu da, zu helfen und sich um die Patienten zu kümmern.
  • Gute Beziehung: Viele gaben eine gute Arzt-Patienten-Beziehung an, manche empfanden den Arzt wie einen Freund.
  • Man hat doch dafür bezahlt: Auch der Aspekt, dass man Versicherungsprämien bezahle und deshalb einen Anspruch auf Behandlung habe, liess die Patienten schneller vorstellig werden.

Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Und noch ein Notfall steht auf der Kippe

Im Hausarzt-Notfall Seeland haben über ein Viertel der Ärzte gekündigt – «aus Frustration».

image

Notfallpauschalen: Politiker machen Druck auf Versicherer

Im Ständerat fordert eine erste Motion höhere Tarife für Notfalleinsätze und Permanencen.

image

Uni Bern: Professur für Klimafolgen & Gesundheit

Damit baut die Universität Bern ihre Forschung an der Schnittstelle von Präventivmedizin und Klimawissenschaften aus.

image

KI auf Abwegen: Wenn das Röntgenbild sagt, dass einer Bier trinkt

Künstliche Intelligenz birgt in der Medizin ein heikles Risiko: das «Shortcut Learning». Dabei liefern Algorithmen völlig akkurate Ergebnisse – die völlig falsch sind.

image

Zürich: Teil-Einigung im Tarifstreit, Taxpunktwert steigt um 2 Rappen

Die Ärztegesellschaft des Kantons Zürich einigte sich mit HSK und CSS auf einen Wert für die ambulant tätigen Mediziner.

image

Notfallpauschalen: Bundesrat kann nichts tun

Die Landesregierung sieht keine Möglichkeit, dass Bern kurzfristig eingreift. Allerdings wird sie im Tardoc-Verfahren speziell auf die Dringlichkeits-Entschädigungen achten.

Vom gleichen Autor

image

Arzthaftung: Bundesgericht weist Millionenklage einer Patientin ab

Bei einer Patientin traten nach einer Darmspiegelung unerwartet schwere Komplikationen auf. Das Bundesgericht stellt nun klar: Die Ärztin aus dem Kanton Aargau kann sich auf die «hypothetische Einwilligung» der Patientin berufen.

image

Studie zeigt geringen Einfluss von Wettbewerb auf chirurgische Ergebnisse

Neue Studie aus den USA wirft Fragen auf: Wettbewerb allein garantiert keine besseren Operationsergebnisse.

image

Warum im Medizinstudium viel Empathie verloren geht

Während der Ausbildung nimmt das Einfühlungsvermögen von angehenden Ärztinnen und Ärzten tendenziell ab: Das besagt eine neue Studie.