Zum Teil waren Hausarzt-Praxen plötzlich geschlossen, zum Teil kritisieren die Patienten, dass nichts funktioniert: Gleich mehrere Praxen, die alle dem gleichen Besitzer gehören, sind in letzter Zeit in die Schlagzeilen geraten. Die Sendung «Kassensturz» hat gestern schwere Vorwürfe gegen den Arzt und Geschäftsmann Thomas Haehner publik gemacht.
18 Praxen betroffen
«Er scheint ein System aufgebaut zu haben, das Praxen in Chaos und finanzielle Probleme stürzt. Zum Leidwesen vieler Angestellter und Patienten.» Ein Beispiel: Im luzernischen Neuenkirch konnte eine kranke Frau ihre Krankenakte für die Weiterbehandlung bei einem anderen Arzt nicht abholen, weil die Praxis geschlossen war. Das Ärztezentrum gehört zur Arztkette, die von Thomas Haehner betrieben wird.
Seit fünf Jahren kauft er Praxen auf. Meist übernimmt er sie von Hausärzten im Pensionsalter. Haehner betreibt laut «Kassensturz» 18 Praxen, die meisten stehen in Zürich, Luzern und in der Ostschweiz.
So macht der Arzt Geld
Eine ehemalige Angestellte erzählte, wie Haehner seine Angestellten instruiert und zum Geldverdienen aufgefordert habe: «Wir wurden angewiesen, die Patienten als potenzielles Geschäft zu sehen.» Eine andere ehemalige Angestellte erzählte: «Die Patienten verliessen die Praxis mit sackweise Medikamenten.»
In der Anfangszeit der Pandemie habe Thomas Haehner seine Angestellten angewiesen, Patienten anzurufen und ihnen zur Corona-Vorsorge Zink und Vitamine zu verkaufen. «Er sieht nicht kranke Menschen, sondern Geld», beschreibt eine ehemalige Angestellte das Geschäftsmodell des Arztes.
Haehner sieht nichts Unrechtmässiges
Thomas Haehner begründet dieses Vorgehen: «Es sind Empfehlungen zu Substanzen, von denen man aufgrund wissenschaftlicher Studien davon ausgeht, dass sie die antivirale Immunantwort des Organismus verbessern. Neben der Impfung war es eine Strategie in der Pandemie, auch an die Immunkompetenz des Menschen zu denken.»
Doch offenbar ist es fraglich, ob für Haehner das Wohl seiner Patienten an oberster Stelle steht. Denn auch zwei grossen Krankenkassen fiel auf, dass die Haehner-Praxen viele Medikamente verschreiben und schlecht organisiert sind.
Krankenkassen reagieren
Die Helsana untersucht nun die Praxen, weil sie den Verdacht hat, dass unnötige Leistungen abgerechnet wurden. Aufgrund «schlimmer Rückmeldungen» ihrer Versicherten über chaotische Zustände überprüft auch die Krankenkasse Concordia sämtliche Haehner-Praxen. Die Kasse überweist bereits drei Ärztezentren kein Geld mehr, weil Dokumente zur Kontrolle der Abrechnungen fehlten.
Geld für Generika?
Auch mit anderen fragwürdigen Geschäften soll Haehner Geld gemacht haben: So zahlte ihm die Generika-Firma Sandoz vor drei Jahren 67’000 Franken – als «Gegenleistung für die Bereitstellung von Werbeflächen für Bildschirme und Patientenmaterialien in den Wartezimmern des Ärztenetzwerks.»
Sowohl die Firma als auch Haehner betonen, dass dies «branchenübliche Verträge» seien. Ein Helsana-Experte widerspricht dem: Ein Arzt müsse grundsätzlich unabhängig von finanziellen Vorteilen handeln und ein Generikum dem Originalmedikament vorziehen.
Löhne nicht gezahlt
Dem Praxisbetreiber wird noch mehr vorgeworfen: Mehrere ehemalige Angestellte berichten auch von ausstehenden Lohnzahlungen. Thomas Haehner schrieb dazu dem «Kassensturz»: Dass Löhne zu spät bezahlt worden seien, treffe teilweise zu. Zum Chaos in manchen Praxen schreibt er: «Dies deckt sich mehrheitlich nicht mit der Realität.»
Ist Haehner am Ende selber das Opfer?
In einer Pressemitteilung wies Haehner gestern darauf hin, dass ihm vermutlich ein Konkurrenzunternehmen schaden wolle. Es sei eine Serie von Straftaten gegen sein Unternehmen verübt worden: unter anderem Diebstahl, Sabotageakte, Hausfriedensbruch, Verletzung des Geschäfts- und Briefgeheimnisses, diverse Formen von Betrug und Untreue, Verleumdungen sowie Drohungen gegen die physische Integrität.
Der finanzielle Schaden beträgt mehrere Millionen Franken. Es gehe davon aus, dass seine Praxiskette in die Insolvenz getrieben werden sollte, um aus der Konkursmasse Praxen oder Ärzte herauszulösen. Er verdächtigt «ein weiteres im Markt befindliches Unternehmen.» Dieses soll Dokumente an die Medien weitergeleitet haben.
Die zweifelhafte Hausarzt-Kette: «Mein Arzt»
Christian Neuschitzer, der Besitzer von «Mein Arzt» betrieb rund 30 Praxen in der Schweiz. Er war ein reiner Investor ohne Arztausbildung und kaufte die Praxen von Hausärzten auf, die keinen Nachfolger fanden. Ähnlich wie im aktuellen Fall Haehner wurden Neuschitzer falsche Versprechungen, fehlende Bewilligungen und schlechte Zahlungsmoral vorgeworfen. Neuschitzer wurde wegen Vermögensdelikten verurteilt, die Kette gibt es nicht mehr.