Fast jeder Zweite und jede Zweite in der Schweiz ist einer Deloitte-Umfrage zufolge gegen eine Digitalisierung und Weitergabe seiner Gesundheitsdaten. 45 Prozent sagten zu einer entsprechenden Frage Nein, 35 Prozent waren dafür. 20 Prozent hatten keine Meinung.
Unter den befragten Frauen war die Ablehnung mit 48 Prozent der Nein-Anteil noch ausgeprägter, wie aus der am soeben publizierten Umfrage des Prüfungs- und Beratungsunternehmens Deloitte hervorging. Die repräsentative Online-Umfrage unter 1'500 in der Schweiz wohnhaften Personen wurde im Juli 2022 durchgeführt.
Am ausgeprägtesten ist die Skepsis der Bevölkerung gegenüber Privatfirmen und Forschungseinrichtungen. Am ehesten freiwillig Zugang zu den Daten gewähren würden die Befragten Familienmitgliedern und Personen, mit denen sie direkt in Kontakt stehen, wie etwa Ärztinnen und Ärzte, Experten in Gesundheitseinrichtungen, Krankenkassen und Apotheken. Die Zustimmungsrate und das Vertrauen nahmen zu, wenn durch die Digitalisierung die eigene Gesundheitsversorgung verbessert werden könnte oder Anreize damit verbunden wären.
«Unsere Befragung lässt darauf schliessen, dass viele Menschen in der Schweiz befürchten, die Kontrolle über ihre Gesundheitsdaten zu verlieren», wird Kishwar Chishty, Expertin für Risikoberatung bei Deloitte Schweiz,
in einer Mitteilung zitiert. Angesichts der vielfältigen Datenskandale sei das verständlich, hiess es im Bericht zur Umfrage.
Pandemie änderte wenig
Am häufigsten als Grund für die Skepsis genannt wurde ein erhöhtes Missbrauchspotenzial, mangelnde Kontrolle, was mit den Daten geschieht, sowie die Gefahr staatlicher Überwachung. Auch die Covid-19-Pandemie hatte die Mehrheit der Befragten offenbar kaum zum Umdenken bewegt. 60 Prozent gaben an, ihre Einstellung habe sich dadurch nicht geändert. Jeder Vierte gab allerdings an, dass er die digitale Erfassung seiner Gesundheitsdaten nun stärker befürworte als noch vor Ausbruch der Pandemie.
Der Ruf nach mehr Digitalisierung im Gesundheitswesen wurde zuletzt während der Pandemie lauter. Einerseits verspricht eine verstärkte Digitalisierung höhere Effizienz oder gleiche Leistungen zu geringeren Kosten. Andererseits geht es um den Schutz höchstsensibler personenbezogener Daten und deren Kontrolle. Im März 2021 hatten fast zwei Drittel der Stimmenden die Lancierung einer elektronische Identitätskarte (E-ID) abgelehnt.
Im Falle einer digitalen Erfassung war für die Befragten auch entscheidend, wo ihre digitalen Gesundheitsdaten gespeichert würden. 72 Prozent erklärten, die Daten sollten in der Schweiz gespeichert werden, und zwar am besten beim Hausarzt oder im Spital.
Im internationalen Vergleich hinkt die Schweiz bei der Digitalisierung indes noch weit hinterher. Damit dieser Rückstand kleiner wird, brauche es mehr Vertrauen in die digitale Technologie und den Datenaustausch. «Die Akteure im Gesundheitssystem müssen den Patientinnen und Patienten aufzeigen, wie digitale Lösungen ihre Gesundheit verbessert und die Abläufe im Gesundheitswesen vereinfachen können», so Kishwar Chishty. Die Studie zeige, dass die potenziellen Gefahren stärker gewichtet werden als der Nutzen. Das fehlende Vertrauen hänge zudem damit zusammen, dass die Patienten nicht wissen, wann und wie ihre Gesundheitsdaten digital erfasst werden und wer danach darauf zugreifen kann.
Digitalswitzerland sieht das anders
Fast gleichzeitig hat auch Digitalswitzerland auf seine Studie über «das digitale Gesundheitssystem aus Sicht der Bevölkerung» aufmerksam gemacht. Zwischen den beiden Ergebnissen gibt es einen grossen Sprung: Gemäss der Studie von Digitalswitzerland haben 70 Prozent der Befragten ein grosses bis sehr grosses Vertrauen in Gesundheitsanbieter beim Umgang mit ihren Daten. Auch hier ist das Vertrauen in Spitäler und Hausärzte am stärksten.
Dennoch rufe die Digitalisierung im Gesundheitswesen Ängste bei den Bürgerinnen und Bürgern hervor. 46 Prozent befürchten gemäss dieser Studie, dass ihre Daten missbraucht oder gestohlen werden.
«Wir müssen alle relevanten Player und Vertreter des Schweizer Gesundheitssystems zusammenbringen, um einen reibungslosen und erfolgreichen Übergang des Gesundheitssystems in die digitale Welt zu ermöglichen», sagt Jade Sternberg, Projektverantwortliche Digital Health, Digitalswitzerland und Hauptautorin der
Studie. «Nur gemeinsam kann dieser Übergang mit einer transparenten Kommunikation und der Stärkung der Patienten erfolgreich verlaufen.»