Die letzten dürftigen Ideen aus dem bunten Strauss von kostendämpfenden Massnahmen hat BR Alain Berset am 7.9.22 zusammengeschnürt im Massnahmenpaket 2 ans Parlament geschickt. Zur Kostendämpfung werden keine Schätzungen mehr gemacht. Es hat einen dicken Hund drin: Die Förderung der koordinierten Versorgung. Was ganz harmlos daherkommt, ist in Wirklichkeit eine weitere Verstaatlichung in der Medizin – diesmal der vernetzten Versorgung. Die koordinierte Versorgung wird bewilligungs- und aufsichtspflichtig und soll engen staatlichen Vorgaben genügen. Was für ein Unsinn. Damit wird kein einziges Problem in der Patientenversorgung gelöst, es werden aber viele neue Probleme geschaffen. Bestehende Ärztenetze werden zerstört und eine dynamische und innovative Bewegung abgewürgt. Die angebliche Förderung wird zur bürokratischen Behinderung, ja zum Todesstoss!
In der Schweiz konnte sich ohne Regulierung eine blühende koordinierte Versorgung entwickeln. Ein Erfolgsmodell mit besserer Qualität als in der unkoordinierten Versorgung und mit 20 Prozent Kosteneinsparung. Diese Modelle stehen in der ganzen Schweiz zur Verfügung. Will man die koordinierte Versorgung jetzt weiter fördern und ihr zum durchschlagenden Erfolg verhelfen braucht es neben Efas und Tardoc welche für ein besseres Gesundheitswesen sowieso überfällig sind, zwei kleine Anpassungen
- Faire Wettbewerbsbedingungen für Ärzte und Ärztinnen in Netzwerken: Möglichkeit, sich aus einseitig von Versicherungen erstellten Listen streichen zu lassen (KVG 41.4)
- Eine Liberalisierung der Prämiengestaltung für alternative Versicherungsmodelle (KVV).
Der Erfolg der heutigen hausärztlich koordinierten Versorgung beruht auf einer freiwilligen Vertragsbereitschaft zwischen Versicherten, Ärztenetzen und Versicherern. Die Qualitätssteigerung und die Kostensenkung resultieren aus den richtigen Anreizen für Ärzte und Ärztinnen, das Richtige zu tun und das Überflüssige wegzulassen.
Nun sollen in einem wirren neuen KVG-Artikel 37 kantonale Leistungsaufträge und bundesrätliche Vertragsauflagen für die koordinierte Versorgung eingeführt werden. Das BAG hat vergessen, dass es dazu einerseits Versicherungsprodukte und andererseits die Bereitschaft der Patienten und Patientinnen braucht, die Vorteile dieser Koordination zu nutzen. Ohne diese Mitverantwortlichkeit der Patientinnen und Patienten funktioniert das nicht. Die Kantone sollen neu Leistungsaufträge für die koordinierte Versorgung aufstellen. Das bedeutet Bedarfsnachweis, Mengengerüste, Qualitätsvorschriften und Qualitätskotrolle durch die Kantone. Die bisherigen Ärztenetze müssten sich neu beim Kanton für den Leistungsauftrag und eine Zulassung bewerben. Wollen die Kantone das? Wollen sie einen neuen Apparat aufbauen für etwas, das sich bereits bestens selber regelt? Sie sind mit den Zulassungsbestimmungen und Kontingentierung doch schon heillos gefordert.
Der Bund will die Mindestanforderungen für die Verträge zwischen Leistungserbringern und Versicherern festlegen. Warum? Woher hat denn das BAG das Wissen und die Erfahrung, solche Verträge zu überprüfen? Es ist das Schlimmste zu befürchten.
Erschreckend naiv hat also das EDI/BAG mit dem Art. 37 eine Fantasiekonstruktion vorgelegt, die offenbar das Gute will und doch das Böse schafft. Es ist ein Radikalangriff auf die bestehenden und bestens funktionierenden Hausarztmodelle mit koordinierter Versorgung. Deshalb soll dieser Art. 37 gestrichen werden.
Angesichts dieses Flickwerks wäre das Parlament gut beraten, auf diese Vorlage erst gar nicht einzutreten.
Dr. med. Felix Huber, Präsident der mediX Ärztenetze