Mikroplastik: Ein Medizin-Thema wird wichtiger

Mehr Herzinfarkte, Schlaganfälle – und jetzt auch der Geburtenrückgang: Neue Studien machen PVC oder PET gleich für mehrere grosse Menschheitssorgen mitverantwortlich.

, 31. Mai 2024 um 14:44
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Symbolbild: Brian Yurasits on Unsplash
Ganz neu ist das Thema nicht. In den letzten Jahren schon allerlei Studien über Plastik-Abfälle im menschlichen Körper und die möglichen Folgen für die Gesundheit (ein Überblick findet sich etwa hier). Aber immer noch ist weitgehend unklar, welche Folgen insbesondere die Akkumulation von Plastik-Überbleibseln im menschlichen Körper hat – und vor allem, was es bedeutet, wenn dieser Nano-Abfall sich in allen nur denkbaren Organen ablagert.
Das Fachmagazin «Nature» veröffentlichte erst vor Kurzem einen Leitartikel, in dem es entsprechende Forschungen anregte: «A deeper understanding of the effects of these particles on human health is urgently needed», so die Einschätzung.

Plastik-Menge, Anfall-Schwere

Nun sind gerade zwei Arbeiten erschienen, die konkreten Verdacht nähren. In einer ersten Studie suchten chinesische Forscher nach Mikroplastik in Blutgerinnseln, die sie diversen Blutgefässen entnommen hatten; und sie erforschten dann die Art der Polymere, die Konzentration von Mikroplastik und dessen Eigenschaften. Dabei wurden Thromben getestet, die Schlaganfall-, Myokardinfarkt- oder Venenthrombose-Patienten entnommen worden waren.
Resultat: Bei vier von fünf Patienten fanden sich Mikroplastik-Elemente. Und: Es gab eine positive Korrelation zwischen der Schwere eines ischämischen Schaganfalls und der erfassbaren Mikroplastik-Menge.
Das Sample war noch relativ klein; aber die Autoren – ein Team der Universität im südchinesischen Shantou – kommen doch zum Schluss, dass ein Zusammenhang zwischen der Menge an Mikroplastik im Körper und Gerinnsel-Vorfällen bestehen dürfte und genauer untersucht werden sollte.
  • Tingting Wang, Zhiheng Yi, Xiaoqiang Lium, Yuxin Cai, Xianxi Huang, Jingnian Fang et al.: «Multimodal detection and analysis of microplastics in human thrombi from multiple anatomically distinct sites», in: «eBioMedicine», Mai 2024.
  • DOI: doi.org/10.1016/j.ebiom.2024.105118
Eine andere neue Studie wittert im Mikroplastik eine mögliche Erklärung für eines der grossen Rätsel unserer Zeit – nämlich den weltweit sehr verbreiteten Geburtenrückgang. Respektive für die sinkende Spermien-Qualität.
Dies, nachdem ein Team der University of New Mexico insgesamt 23 menschliche Hoden und 47 Hoden von Hunden seziert hatte.

Mehr Plastik, weniger Spermien

Die Wissenschaftler fanden dabei in ausnahmslos allen Hoden Mikroplastik – und zwar insgesamt 12 verschiedene Arten. Durchschnittlich betrug der Plastikanteil bei den menschlichen Stichproben 328.44 Mikrogramm pro Gramm.
Vor allem zeigte sich eine (negative) Korrelation zwischen der Menge an PVC und PET in einem Hoden einerseits und dessen Gewicht andererseits. Und bei den Hunde-Hoden liess sich ein Zusammenhang festmachen zwischen Spermienmenge und Mikroplastik-Kontamination.
«Die allgegenwärtige Existenz von Mikroplastik und Nanoplastik gibt Anlass zur Sorge hinsichtlich ihrer möglichen Auswirkungen auf das menschliche Fortpflanzungssystem», lautet denn auch eine Conclusion der Studie.

  • Forschung
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