Die Pharmaunternehmen führten letztes Jahr 30 Medikamente mit neuem Wirkstoff in Deutschland neu ein. Dies
meldet der Verband Forschender Arzneimittelhersteller VFA (also quasi der deutsche Bruder der Interpharma). Gegenüber den Vorjahren bedeutete dies einen recht deutlichen Rückgang: 2021 hatte die VFA-Statistik 46 Medikamente mit neuem Wirkstoff vermeldet, 2022 waren es 49 gewesen. Der Rückgang 2023 hat aber auch mit einer Änderung beim Vergütungssystem zu tun.
Von den Neueinführungen des letzten Jahres entfallen 40 Prozent auf die Onkologie: Zwölf Medikamente kamen gegen unterschiedliche Tumorarten heraus; drei davon dienen der Behandlung des Multiplen Myeloms. Ebenfalls drei neue Medikamente dienen zur Diagnose und Therapie von Prostatakrebs. Ein Mittel richtet sich gegen Brustkrebs.
Deutschland: Im Jahr 2023 lancierte Medikamente mit neuem Wirkstoff
Weiter wurden im Nachbarland 2023 zwei Gentherapeutika und ein Zelltherapeutikum neu eingeführt. Sie dienen der Krebsbehandlung respektive – in einem Fall – der Gen-Behandlung von Hämophilie B. Die Gesamtzahl der in Deutschland eingeführten Gen- und Zelltherapien liegt nun bei 16.
Nachdem das letzte Jahr bei den Neuigkeiten also eher flau war, rechnet der VFA fürs neue Jahr mit einem spürbaren Zuwachs in Deutschland – respektive gleich bei den Markteinführungen in den EU-Ländern. Mehr als 40 neue Medikamente dürften dafür in Betracht kommen, so die
Einschätzung des Pharma-Verbandes.
Konkret sichtet die Branche nun besondere hoffnungsvolle Chancen in folgenden Feldern:
Alzheimer-Demenz
2024 könnten seit langem wieder wieder ein oder zwei neue Medikamente gegen Alzheimer in die deutsche Versorgung kommen. Die Mittel würden den Demenzprozess nicht anhalten, aber womöglich bei frühzeitiger Anwendung verlangsamen. Derzeit laufen hier die Zulassungsverfahren bei der European Medicines Agency EMA.
Der Einreichung der Zulassungsanträge für diese Antikörper-basierten Medikamente gingen branchenweit mehr als 150 gescheiterte Projekte für die Entwicklung von Alzheimer-Therapeutika voraus.
Krebserkrankungen
Rund ein Viertel der Medikamente, für die 2024 eine Markteinführung in EU-Ländern möglich werden dürfte, könnte Menschen mit unterschiedlichen Krebsarten nutzen: etwa mit Brust- oder Prostatakrebs, mit Magen-, Darm- oder Bauchspeicheldrüsen-Krebs, mit Gallengangkarzinom, nicht-kleinzelligem oder kleinzelligem Lungenkarzinom, Nasopharynx- oder Merkelzell-Karzinom, Melanom, Multiplem Myelom, Myelofibrose, Myelodysplastischem Syndrom oder Non-Hodgkin-Lymphom.
Die dafür anstehenden Medikamente gehören zu diversen Arzneimittelklassen: einige Kinasehemmer, ein Antikörper-Toxin-Konjugat, mehrere Checkpoint-Inhibitoren. Ferner könnten zwei bispezifische Antikörper eingeführt werden, die Immunzellen an Krebszellen ketten, damit sie diese zerstören.
Covid-19 und Long-Covid
Zum Absenken des Risikos, dass eine Covid-19-Infektion einen schweren Verlauf nimmt, dürften im Herbst wieder neue stammangepasste Versionen von bereits zugelassenen Covid-19-Impfstoffen und möglicherweise auch noch ein neuer mRNA-Impfstoff mit Selbstverstärkung (sa-mRNA) angeboten werden. Für die, die dennoch schwer erkranken, könnte ein neues Medikament die Möglichkeiten erweitern, überschiessende Immunreaktionen zu dämpfen.
Zur Therapie des Post Covid Syndroms (PCS) konnten noch keine neuen Medikamente entwickelt werden. Jedoch sollen im Verlauf von 2024 einige vom Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte ausgewählte Medikamente, die gegen andere Krankheiten schon zugelassen sind, auch für die PCS-Therapie erstattungsfähig werden. Klinische Studien zu Einsatz von mehreren solchen Medikamenten laufen.
Autoimmunkrankheiten
Um das Begrenzen deplatzierter Immunreaktionen geht es auch bei der Therapie von Autoimmunkrankheiten. Hierfür könnte es 2024 einige Neuzugänge geben. Dabei stehen zwei seltene Krankheiten im Vordergrund: Bis zu drei Neueinführungen sind möglich gegen PNH (paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie), bis zu zwei gegen die Nerven und Muskeln betreffende Erkrankung Myasthenia gravis. Aber auch gegen atopische Dermatitis und Multiple Sklerose könnten neue Medikamente verfügbar werden.
Angeborene Gendefekte
Seit der Jahrtausendwende gab es Fortschritte, aber immer noch sind die meisten Krankheiten, die auf ererbten Gendefekten beruhen, kaum behandelbar. 2024 dürften laut dem VFA in Deutschland hier aber einige neue Medikamente die Zulassung erlangen.
Genannt wird eine neuartige Gentherapie für langanhaltende Besserung bei Betroffenen einer Sichelzell-Krankheit oder einer Beta-Thalassämie. Die Gentherapie nutzt erstmals die Genschere CRISPR/Cas9. Die EMA hat für diese Therapie Mitte Dezember die Zulassung empfohlen.
Weitere Erkrankungen
Weiter dürften 2024 Medikamente für Patienten mit Herzinsuffizienz, Menopause-Symptomen, Migräne oder Anämie möglich sein.