Das
«Chez Marion» am Zähringerplatz ist ein Klassiker in der Zürcher Gastronomie. Nun wird es zum Schauplatz für ein neues Projekt im Gesundheitswesen: Zu einem Crêpe oder auch nur einem Kaffee können sich Patienten und Berufsleute im ungezwungenen Ambiente des Bistros persönlich beraten lassen.
Treibende Kräfte hinter dem Beratungsformat sind die ehemalige Triemli-Chefärztin Brida von Castelberg sowie Annina Hess-Cabalzar und Hans Hess von der
Akademie Menschenmedizin.
Wenn Patienten zweifeln
Der Gang zum Arzt ist häufig mit vielen Hürden verbunden: Nach der Arztwahl, der Terminvereinbarung und der Konsultation stellen sich häufig auch Zweifel über den Nutzen der Behandlung ein.
Soll ich operieren und wenn ja, muss es sofort sein? Muss ich die verschriebenen Tabletten wirklich schlucken? Lauter Fragen, die die Patienten überfordern. Hier will das «Café Med» ansetzen.
«Die Ökonomisierung im Gesundheitswesen hat dazu geführt, dass Patienten nach einer Behandlungsempfehlung zunehmend unsicher sind, ob der vorgeschlagene Weg wirklich in ihrem Interesse steht», sagt Annina Hess-Cabalzar, Präsidentin der
Akademie Menschenmedizin.
Nur der Kaffee kostet
Im «Café Med» werden keine Behandlungen durchgeführt, Diagnosen gestellt oder Medikamente verschrieben. Es geht primär darum, die so genannte «Indikationsqualität», also die Angemessenheit der medizinischen Leistungen, zu beurteilen, und die Patienten in der Entscheidungsfindung zu unterstützen.
«Wir haben Zeit, Erfahrung und können zuhören», sagt Brida von Castelberg. Die Gynäkologin bezeichnet das Angebot als «Geburtshilfe für Entscheidungen.» Im Zweifelsfall werden die Patienten für eine Zweitmeinung an eine andere Fachperson überwiesen.
Die Beratung ist betont niederschwellig: sie steht allen offen und ist gratis. Das einzige, was kostet, ist die Konsumation im «Chez Marion». Das Team, bestehend aus Fachärzten und Psychologen, arbeitet ehrenamtlich und ist nach eigenen Angaben an keine wirtschaftlichen Interessen gebunden.
Zweimal monatlich
Die Beratungen finden zweimal monatlich von 15 bis 18 Uhr statt. Es werden jeweils mehrere Fachpersonen aus dem Gesundheitswesen anwesend sein, den ersten Lokaltermin am 10. Juli 2017 bestreiten Brida von Castelberg, Annina Hess-Cabalzar, Christian Hess sowie die beiden Fachärzte Erich Russi und Thomas Toth.
Brida von Castelberg, die auch Beirätin der Akademie Menschenmedizin ist, liebäugelte schon länger mit einem eigenen Kaffeehaus. Annina Hess-Cabalzar und Christian Hess verfolgten die Idee eines niederschwelligen medizinischen Beratungsangebots. In der Kombination ergab sich nun das «Café Med».
Beratungsstelle für Gesundheitspersonal
Die Initiantinnen stellen nicht nur bei Patienten, sondern auch bei den Beschäftigten im Gesundheitswesen eine zunehmende Verunsicherung fest. Das «Café Med» steht darum auch ihnen offen, sich mit Sorgen und Fragen an die Experten zu wenden.
«Sie haben nirgends eine unabhängige Beratungs- und Sorgenstelle, bei der sie sich mit Kolleginnen und Kollegen austauschen können», stellt Annina Hess-Cabalzar fest. An Supervisionen in Spitälern habe sie gemerkt, dass ein Bedarf für solche Beratungen bestehe.
Unter vier Augen sollen auch Tabuthemen angesprochen werden können, etwa wenn Ärzte unter zu hohen Zielvorgaben leiden oder zu wenig Zeit für Patienten haben. Sollten sich Problembereiche abzeichnen, will Annina Hess-Cabalzar versuchen, einen öffentlichen Diskurs anzustossen.