In den USA kommt ein Thema von einer Grauzone der Operationssäle aufs Tapet der Patientenschützer und Behörden. Es geht um die Frage, ob und unter welchen Umständen Chirurgen zeitgleich zwei Operationen an zwei verschiedenen Patienten ausführen dürfen.
Als Reaktion auf die umstrittene Praxis hat die international führende Standesorganisation
American College of Surgeons (ACS) nun erstmals Richtlinien dazu aufgestellt. Demnach ist das so genannte
Doublebooking von Operationen nicht illegal, aber auch nur unter bestimmten Umständen zulässig.
Gleichzeitige und überlappende Operationen
Im Kern wird zwischen gleichzeitigen (concurrent) und überlappenden (overlapping) Operationen unterschieden:
- Zwei gleichzeitig stattfindende Operationen an zwei verschiedenen Patienten in zwei verschiedenen Räumen durchzuführen, also quasi zwischen den Räumen zu pendeln, ist gemäss dem Chirurgenverband grundsätzlich nicht angebracht.
- Anders sieht es mit den zeitlich überlappenden Operationen aus. Diese Praxis ist erlaubt, wenn etwa die kritische und wichtigste Phase der ersten Operation vollendet ist und der führende Chirurg eine zweite Operation in einem anderen Saal beginnt, während die erste Operation von einem qualifizierten Kollegen zu Ende geführt wird.
Der Patient muss informiert werden
Die Beurteilung, wann die kritische und wichtigste Phase einer Operation vorbei ist, wird dabei naturgemäss dem Chirurgen überlassen. Dieser Passus ist Ermessenssache und sorgte in den USA bereits für Kritik.
In jedem Fall müssen Patienten aber zwingend vorgängig informiert werden, wenn der Chirurg die zwei Operationen parallel durchführt. Falls der Chirurg wegen eines Notfalls den Operationssaal unerwartet verlassen muss, muss der Patient im Anschluss an die Operation informiert werden.
Komplikationen nach gleichzeitigen Operationen
Das ACS wurde auf Berichte hin aktiv, wonach speziell im Massachusetts General Hospital sich zeitlich überschneidende Operationen zu Komplikationen führten. Für die Zeit zwischen 2005 und 2015 sind mindestens 44 Fälle aktenkundig.
Die Regeln des ASC sind rechtlich nicht verpflichtend, haben aber in der Form von Empfehlungen einen Einfluss auf die Best Practices in Spitälern und Kliniken. In den USA steht das Doublebooking von Operationen bereits unter kritischer Beobachtung der Behörden.
Eine Umfrage der Zeitung «Boston Globe» Ende letzten Jahres bei 47 US-Spitälern ergab, dass es üblich ist, dass Chirurgen eine zweite Operation beginnen, bevor die erste zu Ende ist. Erst wenige Spitälern fordern allerdings die Ärzte explizit auf, ihre Patienten über dieses Vorgehen zu informieren.
Zu den ACS-Richtlinien «Statements on Principles»