Von den rund 100 Millionen Posts, die täglich auf Instagram hochgeladen werden, verrät jeder etwas über das Innenleber des Absenders: Sind Menschen auf den Fotos und wenn ja, wie viele? Wurden die Bilder drinnen oder draussen aufgenommen? Ist es Tag oder Nacht? Welche Farben herrschen vor, welche Helligkeit? Wie oft wurden die Posts kommentiert oder geliked?
Das sind nur einige Kriterien, die Aufschluss geben über die psychologische Verfassung des Nutzers. Die beiden Wissenschaftler Andrew Reece von der Harvard University und Christopher Danforth von der University of Vermont haben zahllose Merkmale gebündelt und daraus ein lernfähiges Computerprogramm erstellt, das als Frühwarnsystem für psychische Krankheiten wie Depressionen dienen soll.
Trefferquote: 70 Prozent
Ihre Ergebnisse wurden nun im Fachjournal
«EPJ Data Science» veröffentlicht. Im Vergleich zu herkömmlichen Arztdiagnosen soll das Computerprogramm eine hohe Trefferquote haben. Von den 166 Instagram-Nutzern, die an der Studie teilgenommen haben, erhielten 70 Prozent anhand ihrer geposteten Fotos die richtige Diagnose Depression. Die insgesamt gegen 44'000 Fotos werden anhand von Farbe, Metadaten und Algorithmen der Gesichtserkennung analysiert.
Andrew G. Reece, Christopher M. Danforth: «Instagram Photos reveal predictive markers of depression», in: «EPJ Data Science», 8. August 2017Die Fotos der 71 Teilnehmer, bei denen ein Arzt zuvor bereits eine Depression festgestellt hatte, zeigten folgende Auffälligkeiten im Vergleich zu den Teilnehmern ohne Diagnose: Sie waren farblich dunkler und hatten einen Grau- und einen Blaustich. Auch wurden sie häufiger kommentiert. Depressive Teilnehmer posteten häufiger Bilder mit Gesichtern, sie hatten aber im Durchschnitt weniger Gesichter pro Bild als die der Kontrollgruppe.
Frage der Filter
Besondere Unterschiede zeigten sich in der Verwendung der Filter: Depressive Teilnehmer filtern häufig Farbe aus dem Bildern oder verwandeln ein buntes in ein schwarz-weisses Bild. Sie tun das am meisten mit dem Inkwell-Filter. Die gesunden Teilnehmer hingegen bevorzugten aufhellende Filter wie den Valencia-Filter. Auch stellten sie mehr und häufiger Bilder auf die Plattform.
Früherkennung
Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass die Ausleuchtung von Social-Media-Profilen mit Algorithmen zu einem wirksamen Diagnosetool für psychische Krankheiten werden kann.
«Das Aufkommen von Social Media bringt vielversprechende Möglichkeiten für die Früherkennung von psychischen Störungen», schreiben sie in der Studie. Persönliche Veränderungen würden in der Nutzung der sozialen Medien sichtbar und könnten mit Algorithmen erfasst werden.
Erstmals visuelle Elemente
Bei früheren Auswertungen von Nutzerprofilen auf Facebook stand immer die Textanalyse im Vordergrund, während das nun entwickelte Programm erstmals einzig auf visuelle Elemente setzt.
Die Autoren sind sich bewusst, dass die Aussagekraft der Studie begrenzt ist. Zum einen, weil das Krankheitsbild Depression in der Studie nicht medizinisch geklärt wird. Zum anderen aufgrund der geringen Teilnehmerzahl. Von den 509 Nutzern, die ursprünglich für die Studie zusagten, wollten 221 trotz Vertraulichkeitserklärungen ihre Daten im Verlauf nicht mehr mit den Wissenschaftlern teilen. Weitere Tests seien darum nötig, um die Aussagekraft zu erhöhen.