Erst in die Apotheke – und erst danach zum Arzt

Die Gewichtsverschiebung zwischen Medizinern und Apothekern wird durch eine neuartige Versicherung der Swica weiter angetrieben: Wer mit seinen Symptomen zuerst einmal eine Apotheke aufsucht, bezahlt tiefere Prämien.

, 30. August 2015 um 14:00
image
  • medikamente
  • apotheken
  • swica
  • praxis
  • gesundheitskosten
Die Swica lanciert Anfang nächsten Jahres ein neues Krankenkassen-Angebot namens «Medpharm» – und zwar in Zusammenarbeit mit den TopPharm-Apotheken.
Wer das «Medpharm»-Modell wählt, sucht im Krankheitsfall entweder eine TopPharm-Apotheke auf oder ruft den Telemed-Dienst Sante24 an. Der Hausarzt kommt erst danach zum Zug. Auf der anderen Seite fällt die Prämie tiefer aus.
«Das neue Modell soll zur Eindämmung der Gesundheitskosten beitragen, die Hausärzte entlasten und die Apotheker stärker in die Erstversorgung einbinden», fasst die Swica die Idee in ihrer Mitteilung zusammen. 

Alle haben ein Besprechungszimmer

Oder anders: Es käme uns alle günstiger, wenn die Patienten mit Bagatellfällen nicht erst zum Arzt gingen, sondern gleich direkt zum Apotheker. Die Prämienreduktion fällt dann in der Tat beträchtlich aus: Im Aargau und in Zürich könne man den «Medpharm»-Kunden zum Beispiel 19 Prozent Prämienersparnis anbieten, rechnete Swica-Sprecherin Silvia Schnidrig in der Zeitung «Schweiz am Sonntag» vor.
Wer solch eine Versicherung hat, wendet sich also zur Erstberatung an eine von 118 TopPharm-Apotheken. Sie alle haben ein Besprechungszimmer für vertrauliche Gespräche. Die Beratung durch den Apotheker oder durch Sante24 ist für die Versicherten kostenlos. «Viele unserer Kunden suchen bei gesundheitlichen Problemen aus Zeit- und/oder Kostengründen bereits heute die Apotheke auf», sagt TopPharm-Geschäftsführer Stefan Wild.

Drei Viertel in der Apotheke, 5 Prozent an den Arzt?

Tatsächlich bieten die TopPharm-Apotheken bereits seit drei Jahren im Rahmen des NetCare-Modells schon erweiterte Beratungsdienste an, auch bei komplexeren Gesundheitsfragen. Bei diesem Modell – das im Frühjahr 2012 vom Apothekerverband Pharmasuisse, Medgate und Helsana lanciert wurde – nehmen die Apotheker auch kleinere Untersuchungen selber vor, beispielsweise eine Blutdruck-Messung. 
Die Erfahrung bei Netcare zeige, dass sich drei Viertel aller Fälle bereits in der Apotheke lösen lassen, sagte Stefan Wild in der «Schweiz am Sonntag». In 5 Prozent der Fälle verweise man Kunden an einen Arzt oder das Spital.

Was, wenn der Apotheker wieder Zusatz-Untersuchungen benötigt?

Die Swica bietet ihr neues Versicherungsmodell in einer ersten Phase im Deutschschweizer Einzugsgebiet der TopPharm Apotheken an. Später sollen sich andere zertifizierte Apotheken anschliessen können. Ein Partner für die Romandie und das Tessin werde noch gesucht, sagte Silvia Schnidrig in der «Schweiz am Sonntag».
Skeptisch äusserte sich dort FMH-Präsident Jürg Schlup. Er bezweifle, dass dieses Modell wirklich die Kosten senke. Denn: «Der Apotheker wird nur wenige Fälle abschliessend behandeln können.» Für eine Diagnose genügten die Kenntnisse der Apotheker im Vergleich zu jenen der Ärzte nicht. Und falls der Apotheker dann wieder Zusatzuntersuchungen empfehle, um seine Diagnose abzusichern, könne die Sache am Ende doch wieder teurer werden.
Schlup erinnerte auch daran, dass das neue Swica-Modell ab 2017 noch mehr Durchschlagskraft haben dürfte: Denn das revidierte Heilmittelgesetz werde es den Apothekern erlauben, verschreibungspflichtige Medikamente direkt abzugeben, die heute eine Arzt-Diagnose und ein Rezept voraussetzen. 
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Physiotherapeuten und Ärzte möchten am ehesten im Beruf bleiben

Derweil denken Pflegefachpersonen und Apotheker am häufigsten über einen Ausstieg nach.

image

Grippeimpfung für den Hausgebrauch – Sammeltest für 12 Atemwegsviren

In den USA will die FDA die Grippeimpfung fördern: Man kann sie jetzt als Nasenspray aus der Online-Apotheke bestellen – rezeptfrei. Und: Roche kündigt Test-Revolution an.

image

Tarmed-Streit: Ärzte demonstrieren in Genf

Die Genfer Grundversorger sind nicht mehr bereit, weitere Senkungen ihres Einkommens hinzunehmen.

image

Eine Börse für Praxis-Stellvertretungen

Die Jungen Haus- und KinderärztInnen Schweiz JHaS entwickelten eine Plattform, die erstens jungen Medizinern und zweitens Niedergelassenen helfen soll.

image
Gastbeitrag von Andri Silberschmidt

Pharma: Es braucht einen Ruck – und mehrere Kompromisse

Derzeit berät das Parlament über eine Reihe von Fragen, die für unsere Medikamentenversorgung entscheidend werden.

image

Nächster Fall: Notfallpraxis der Hausärzte in Sursee schliesst

Das Bundesgerichtsurteil gegen Inkonvenienz-Pauschalen für Walk-in-Praxen und Permanencen hat weitere Folgen.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.