Geldgierige Schulzahnärzte brachten Regierungsrat zu Fall

Verbotene Privatgeschäfte in der Schulzahnklinik waren wohl der Grund, warum Ex-Bundesratskandidat Christian Amsler aus der Schaffhauser Regierung abgewählt wurde.

, 2. September 2020 um 09:30
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Ausgerechnet eine Schulzahnklinik wurde zum Stolperstein für einen hochrangigen Politiker. Zwei Monate vor den Regierungsratswahlen wurde öffentlich, dass die Schaffhauser Schulzahnärzte einträgliche Privatgeschäfte tätigten.

Amsler war Bundesratskandidat

Der zuständige Regierungsrat, Christian Amsler, habe sich zu wenig um die Missstände gekümmert, lautete der Vorwurf der parlamentarischen Untersuchungskommission. Der FDP-Politiker wurde nun abgewählt. Ein tiefer Fall. Noch vor zwei Jahren war er Bundesratskandidat für die Nachfolge von Johann Schneider-Ammann.
Die Untersuchungskommission brachte haarsträubende Zustände an der Schulzahnklinik zu Tage: Für einen Kieferorthopäden war die Schulzahnklinik ein willkommenes Tätigkeitsfeld, um seine eigene Privatpraxis mit lukrativen Kunden zu alimentieren.

Am liebsten IV-Fälle

Er warb junge Patienten ab, die teure Eingriffe brauchten – am liebsten solche mit einer Kostengutsprache der IV. Den Eltern gab er vor, dass sie in der Privatpraxis von kürzeren Wartezeiten profitieren würden.
Gedeckt wurde das Vorgehen des Zahnarztes vom Leiter der Schulzahnklinik. Dieser fand, es spiele keine Rolle, wo die Behandlung letztlich durchgeführt würde. Doch der Schulzahnklinik entgingen laut dem Untersuchungsbericht 600 000 bis 1,3 Millionen Franken Umsatz.

Kanton erlaubt Privatpraxis

Den Schaffhauser Schulzahnärzten war es erlaubt, neben der Klinik noch privat zu arbeiten. Die Kantonsregierung hatte das bewilligt, weil Schulzahnärzte weniger verdienen als die Kollegen in der Privatwirtschaft.
In der privaten Praxis hätten aber nur Erwachsene behandelt werden dürfen. Trotzdem warb der Zahnarzt auch Schulkinder nach der obligatorischen Untersuchung ab oder forderte die Eltern gar unverhohlen dazu auf, in seiner Privatpraxis einen Termin zu vereinbaren.

Unwirksame Mybrace-Behandlungen

Ein weiterer Kritikpunkt der Untersuchung: An der Schulzahnklinik erhielten viele Kinder sogenannte Mybrace-Therapien durchgeführt, obwohl deren Wirksamkeit wissenschaftlich nicht erwiesen ist.
Beinahe die Hälfte der Behandlungen wurde erfolglos abgebrochen. Es wurden offenbar auch unnötig viele Kinder in der Schulzahnklinik geröntgt. Ausserdem wirft der Bericht den Zahnärzten in der Schulzahnklinik vor, dass sie zu wenig gearbeitet hätten.

Nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt

Erst 2018 ordnete der zuständige Erziehungsdirektor Christian Amsler eine interne Untersuchung an. Das sei viel zu spät gewesen; er hätte die Alarmsignale viel früher ernst nehmen müssen, sagen Kritiker. Amsler verteidigte sich nach Bekanntwerden der Missstände: Er habe stets nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.
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