Gesundheitsschäden wegen Atom-Unfall grösser als angenommen?

Gäbe es im Atomkraftwerk Gösgen einen grossen Unfall, müsste die Schweizer Bevölkerung mit 17 000 zusätzlichen Krebsfällen rechnen. Das rechnet eine neue Studie vor.

, 22. Mai 2019 um 05:15
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Ein grösserer Unfall in einem Schweizer Atomkraftwerk hätte vermutlich viel grössere gesundheitliche Folgen als bisher angenommen. Am gefährlichsten wäre ein Unfall im Kraftwerk Gösgen: Er hätte rund 17 000 Krebsfälle zur Folge. Auch Mühleberg würde über 14 000 Personen so stark verstrahlen, dass sie an Krebs erkranken würden (siehe auch Tabelle unten).

Unfallrisiken von fünf AKW berechnet

Das ist das Resultat einer Studie des Genfer Forschungsinstitut Biosphère. Studienleiter Frédéric-Paul Piguet hat das Unfallrisiko von fünf Atomkraftwerken: Beznau, Gösgen, Leibstadt und Mühleberg in der Schweiz sowie Bugey in Frankreich.
Piguets Unfallsimulationen beziehen Wetterdaten und neue medizinische Erkenntnisse über die gesundheitlichen Folgen von Strahlen ein. Damit gelangt die Studie zu 30 Mal höheren Werten als das Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS in seinem Planungsszenario vorsieht.

Auch Herzinfarkte und Hirnschläge als Strahlenfolge

Neben Tausenden von Krebsfällen geht die Studie davon aus dass die Strahlung Herzinfarkte und Hirnschläge zur Folge hat. Aufgrund der medizinischen Erkenntnisse aus dem Unfall im Atomkraftwerk Tschernobyl sind zudem genetische Störungen und weitere Beeinträchtigungen der Fortpflanzung zu erwarten.
Die Studie geht nur von wenigen akuten Strahlenopfern – zum Beispiel unter den Rettungsleuten – aus. Die massiven gesundheitlichen Folgen würden sich erst im Verlauf von Monaten, Jahren und Jahrzehnten zeigen, wenn sich die akuten und die chronischen Strahlendosen, etwa durch die Nahrung, kumuliert haben. Nach einem Unfall würden die meisten Strahlendosen im sogenannten «niedrigen Dosisbereich» erfolgen. Die offiziell zulässige jährliche künstliche Strahlendosis beträgt 1 Millisievert.

Besonders strahlenempfindlich: Ungeborene, Frauen und Kinder

Ionisierende Strahlung schädigt die Körperzellen. Dadurch werden dosisabhängig nach Jahren schwere Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislaufkrankheiten, Fehlbildungen und genetische Veränderungen ausgelöst. Auch niedrige ionisierende Strahlendosen erhöhen das Risiko für diese Gesundheitsschäden. Besonders strahlenempfindlich sind Ungeborene, Kinder und Frauen.
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Quelle: Institut Biosphère
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