Es sei «der Test, der alles verändert» – so wird der neue Prostata Stockholm 3 Test verheissungsvoll in der Broschüre des schwedischen Herstellers beworben.
Seit einiger Zeit wird er in zahlreichen Schweizer Hausarztpraxen angeboten, medial wurde er schon als «Umbruch beim Männerkrebs» gefeiert.
Was auf den ersten Blick gut tönt – nämlich, dass der Test aggressiven Prostatakrebs in einem sehr frühen Stadium ermitteln kann –, hinterlässt bei vielen Urologen Skepsis und offene Fragen.
Ungenügende Datenlage
Es stecke sehr viel Marketing dahinter, wo hingegen die Datenlage bisher nicht ausreichend ist, um den Test als Standard für die Prostatafrüherkennung zu empfehlen, sagt etwa Thomas Hermanns, Urologe am Zentrum für Urologie Zürich.
Hinzu kommt, dass fast alle durchgeführten Studien mit dem Stockholm 3 Test entweder durch die Inhaber des Patents oder vom Hersteller des Tests gemacht wurden.
Screening: Ja, unbedingt
Wichtig sei, dass relevante Tumore sicher und früh erfasst und eine Überdetektion von insignifikanten Tumoren minimiert werde – das stehe ausser Frage, betont der Urologe.
Prostatakrebs ist weltweit eine der häufigsten Krebsarten bei Männern. In der Schweiz sterben jährlich 1400 Männer daran. Die Häufigkeit steigt mit dem Alter, weshalb Männer ab dem 50. Lebensjahr getestet werden.
Aufgrund der steigenden Lebenserwartungen wird prognostiziert, dass die jährlichen Prostatakarzinom-Neuerkrankungen weltweit von 1,4 Millionen im Jahr 2020 auf 2,9 Millionen bis 2040 steigen werden.
Allerdings sei das heutige risikoadaptierte Screeningverfahren mit PSA-Wert-Bestimmung und Risikokalkulatoren unter Einbezug weiterer Faktoren wie Alter, Familienanamnese und Prostatavolumen zuverlässig, gut erforscht – und günstig.
In Kombination mit einem MRI der Prostata konnte das Screening in den letzten Jahren noch weiter deutlich verbessert werden. «Das MRI lässt uns mit guter Sicherheit vorhersagen, ob bei Patienten mit einem erhöhten Risiko ein Prostatakrebs vorliegt oder nicht. Zeigt sich ein auffälliger Befund kann dieser dann zur Diagnosestellung zielgenau biopsiert werden», so Hermanns.
Versorgungsengpässe in Schweden
Der Stockholm 3 Test wurde entwickelt, um die Anzahl an Facharztkonsultation beim Urologen und die Durchführung von MRI-Untersuchungen zu minimieren. In Schweden bestehen diesbezüglich relevante Versorgungsengpässe, die in der Schweiz allerdings nicht vorhanden sind.
Für Hermanns drängt sich daher der Verdacht auf, «dass ein Test, der in Schweden entwickelt wurde, um Fachärzte zu entlasten und Ressourcen zu schonen, in der Schweiz dazu genutzt wird, Patienten in die urologischen Praxen zu schleusen, die den Test vermarkten und propagieren», sagt er.
Stockholm 3-Test
Der Test berechnet mittels mehrerer genetischer und biochemischer Faktoren im Blut, ob bei symptomfreien Männern ein aggressiver Prostatakrebs wächst.
Bis vor Kurzem war der Test geografisch auf die nordischen Länder beschränkt. Seit letztem November kann dieser auch in Schweizer Laboren ausgewertet werden.
Kostenminimierung?
Dass der neue Test auch unter dem Deckmantel der Kostenminimierung vermarktet wird, lässt Hermanns ebenfalls nicht gelten: «Der Test kostet 500 Franken und muss von den Patienten selbst getragen werden. Bei einem auffälligen Stockholm 3 Test wird dann zusätzlich ein MRI durchgeführt, welches nochmal 400 bis 600 Franken kostet.
Eine Kostenreduktion der Früherkennung durch den Test sei im aktuellen Setting sehr unwahrscheinlich.
Thomas Hermanns sagt aber auch, dass es wichtig sei, dass neue Screening Methoden, wie z.B. der Stockholm 3 Test evaluiert werden, um die Früherkennung weiter zu optimieren.
«Dies sollte allerdings seriös in gut designten Studien erfolgen. Erst wenn diese Studien zeigen, dass ein Test wie Stockholm 3 Test einen Benefit im Setting des risikoadaptierten Screenings hat, sollten wir unseren Patienten und den Hausärzten diesen Test empfehlen».
Alles andere würde vor allem unnötige Kosten und eine grosse Verunsicherung bei Patienten und Zuweisern verursachen.