Intensivstationen sind in der Regel ganz auf Technik ausgerichtet und entsprechend nüchtern und ungemütlich. Die Gestaltung wirkt auf die Patienten häufig befremdend - keine guten Voraussetzungen für eine Genesung.
Doch gerade Ambiente und Tageslicht können einen wichtigen Beitrag zum Heilungsprozess leisten. Die
Charité Berlin untersucht derzeit diese Zusammenhänge in einem Pilotprojekt. Dafür werden Räume auf dem Campus des Virchow-Klinikums genutzt.
Delirien vermeiden
Initiiert wurde das Projekt von Claudia Spies, Leiterin des Charité Zentrums für Anästhesiologie, OP-Management und Intensivmedizin. Speziell soll erforscht werden, wie sich Delirien vermeiden lassen, also Zustände der Verwirrtheit, die häufig stressbedingt bei Intensivpatienten auftreten und Folgeschäden verursachen können.
Für die Studie konzipierte das Berliner Architekturbüro
Graft zusammen mit Mediengestaltern, Licht- und Akustikexperten eine Intensivstation mit zwei Zimmern und vier Betten komplett neu.
Der gewölbte Screen sorgt für Wohlbefinden (Bild: graftlab.com)
Technik verschwindet in der Wand
Die Intensivstation wurde voll und ganz auf die Bedürfnisse der Patienten abgestimmt. Medizinische Geräte wurden in ein Wandsystem am Kopfende des Bettes oder in ein angrenzendes Beobachtungszimmer verlagert.
Wichtigstes Element der neuen Station ist ein eigens entwickelter Bildschirm über dem Bett mit einer Fläche von zweieinhalb mal sieben Metern, der einen künstlichen Himmel simulieren soll. Die Fläche wölbt sich am Ende nach unten, sodass sie einen grossen Teil des Sichtfeldes des Patienten einnimmt.
Die LEDs können einerseits Tageslicht simulieren und anderseits bewegte Bilder und Farben erzeugen. Beides soll zur Heilung der Patienten beitragen.
Lichtmangel setzt die innere Uhr ausser Kraft
Vor allem besteht berechtigte Hoffnung, dass durch erholsamen Schlaf die Dosis der Medikamente und der Delirien reduziert werden können. Dies wird anhand von zwei Patientengruppen untersucht.
Die eine Gruppe liegt unter normalen Krankenhauslampen mit etwa 100 Lux. Die andere Gruppe unter dem oben beschriebenen Lichthimmel mit Tageslicht. Die Strahlung variiert so, wie es auch das natürliche Licht im Lauf des Tages tut, inklusive Sonnenaufgang und -untergang.
Messungen des Hormons Melatonin im Blut zeigen, dass 60 Prozent der Patienten unter dem simulierten Tageslicht einen normalen Tag-Nacht-Rhythmus haben. Während bei ihnen der Pegel wie unter natürlichen Bedingungen schwankt, haben die Patienten der Vergleichsgruppe einen gleichbleibenden Spiegel. Der Lichtmangel setzt also die innere Uhr ausser Kraft.
Naturereignisse werden simuliert
Der Screen sollen auch dazu dienen, das Wohlbefinden der Patienten zu erhöhen und Stress und Ängste abzubauen. Dies, indem Naturbilder gezeigt werden wie ein Blätterdach, durch welches das Sonnenlicht fällt, vorbeiziehende Wolken oder ein Sternenhimmel.
Je nach Stimmungslage des Patienten können die Szenarien angepasst werden. Der Bildschirm kann auch zur Prüfung des Wachzustandes der Patienten dienen, indem sie zum Beispiel sich bewegende Lichtpunkte verfolgen sollen.
Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert. Die offiziellen Forschungsergebnisse sollen bis im Sommer vorliegen.
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