Der Preis
«Entrepreneur of the Year», vergeben von der Revisions- und Beratungsgesellschaft EY und gekürt von einer 9köpfigen Jury, gehört zu den wichtigsten Messlatten des Schweizer Unternehmertums. Und so darf man es wohl auch als weiteres Signal für die wachsende Bedeutung der Healthcare-Bereichs nehmen, dass zwei der vier Preise dieses Jahr an Medizinaltechnik-Patrons gingen.
Beim Festakt in Lausanne ausgezeichnet wurde zum einen Willy Miesch von
Medartis: Er holte den Preis in der Kategorie «Industrie/High Tech». Und da war Tej Tadi von
Mindmaze aus Lausanne: Er wurde zum «Emerging Entrepreneur» des Jahres gekürt.
In vier Jahren zur Milliarde
Während Medartis unter Orthopäden oder Chirurgen längst ein Begriff ist, blieb Mindmaze bislang eher diskret – zumindest in der Deutschschweiz.
Dabei ist das Unternehmen, obwohl erst vier Jahre alt, seit Februar offiziell Milliarden wert. Damals wurde bekannt, dass sich der indische Mischkonzern Hinduja 100 Millionen Dollar an Mindmaze beteiligt (siehe etwa
hierhierhier,
hier oder hier). Das Medtech-Startup aus Lausanne wird damit auf über 1 Milliarden Franke bewertet.
Da stellt sich natürlich die Frage: Was hat es denn so Spezielles zu bieten?
Und ein Blick auf die bisherige Entwicklung lässt zumindest ahnen: Mindmaze könnte tatsächlich ein idealtypisches Beispiel sein für die Segnungen der Digital-Technologie im Gesundheitswesen.
Ausgangspunkt: Es mangelt an Betreuungspersonal
Der EPFL-Ableger verbindet die Virtual-Reality-Technologie mit der Neurologie: Das Team um den Elektroingenieur Tej Tadi hat ein System entwickelt, welches in der Rehabilation von Patienten mit Hirnschlag respektive Gehirnverletzungen eingesetzt werden kann.
Ausgangspunkt war, dass es stets an Therapeuten mangelt, die Menschen mit Hirnverletzungen und Hirnschlag-Patienten in der kritischen Zeit nach dem Ereignis mit der nötigen Konsequenz betreuen. Während sich das Rehabilitations-Fenster schliesst, verschwenden die Patienten den grössten Teil des Tages mit Warten – und dies selbst in guten Kliniken.
Erster Therapieansatz: Stimulieren durch beobachten
Dem Team aus der EPFL ging es also darum, ein Gerät zu entwickeln, welches die neurologischen Funktionen anregt, zugleich ständig zur Verfügung steht (und folglich, drittens, auch halbwegs preisgünstig ist).
Linker Arm gaukelt rechten Arm vor: Übung mit dem Mindmaze-System (Bild: Mindmaze)
Therapeutischer Ausgangspunkt war, dass man gewisse Hirnregionen stimulieren kann, die – beispielsweise – für eine bestimmte Bewegung verantwortlich sind, indem der Patient als erstes einmal genau diese Bewegung mit seinen Augen beobachtet und verfolgt.
Die Mindmaze-Technologie ermöglicht es nun, dass der Patient beispielsweise eine Bewegung auf seiner gesunden Seite übt – doch dass ihm das Bild dazu über einen Screen und mittels eines Avatars so gezeigt wird, als ob die gelähmte Seite diese Bewegung vollführe.
Dem Gehirn wird also quasi vorgegaukelt, dass die betroffenen Körperregionen gesund seien. In einer neueren Version geschieht diese «Täuschung» bereits über eine Virtual-Reality-Brille.
Lausanne, San Francisco, Zürich
Ein weiterer Aspekt des Konzepts ist es, dass die telemedizinische Funktion gleich mitgedacht ist: Die Patienten erhalten ihre Geräte und Bildschirme – aber die Überwachung kann auch aus der Ferne erfolgen (und folglich auch zentralisiert).
Was also entsteht, ist ein Trainings-Umfeld,
- dessen Übungen auf den individuellen Patienten angepasst werden können;
- das helfen soll, in einer ersten Reha-Phase die Patienten viel intensiver zu beüben;
- bei dem die Betreuung zudem viel zentralisierter erfolgen kann;
- und das, etwa durch den Einbau von Game-Elementen, auch Spass fördern kann und motivieren soll.
«Mindmaze will die führende neuro-medizinische Gerätefirma der Welt werden», sagte Mitgründer
Tej Tadi gegenüber der «Economic Times» von Indien; Tadi hatte Mindmaze nach seinem Studium an der EPFL in Lausanne gegründet, heute beschäftigt das Unternehmen 52 Personen in Lausanne, San Francisco und Zürich.
Ob dieser Anspruch den Milliardenwert rechtfertigt, wird sich weisen müssen. Ein wichtiger Aspekt ist sicher, dass es weltweit pro Jahr etwa 15 Millionen Hirnschlag-Patienten gibt, und hinzu kommen hohe Wachstumsraten. Ein anderer: Die Virtual-Reality-Technologien dieser Medtech-Firma sollen im Rahmen des Hinduja-Konzerns womöglich auch in anderen Bereichen eingesetzt werden, sei dies für Games in der Freizeit oder sei dies für die Militärtechnologie.
Mindmaze-Gründer Tej Tadi erklärt an einem Ted-Talk in Lausanne, wie Mindmaze in der Reha eingesetzt werden kann:
Beispielfilm: Wie Mindmaze dem Patienten mittels Virtual-Reality-Brille einen gesunden Arm vorgegaukelt:
- Noch ein Preis für Medtech: Willi Miesch von Medartis ist Entrepreneur of the Year in der Kategorie «Industrie/High-Tech/Life Sciences»
Mit dem Mitinhaber und CEO des Basler Medizinaltechnikers Medartis AG zeichne man einen Unternehmer aus, der «mit seiner Art auf der ganzen Welt reüssieren würde», urteilt die Jury des EY Entrepreneur of the Year.
Miesch habe überzeugt, weil er ein unabhängiger Denker und ein überlegter, entscheidungsfreudiger Macher ist.
Und Medartis wiederum habe sich als gesuchte Entwicklungspartnerin für Ärzte im Bereich der plastischen Chirurgie, für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen, für Fuss- und Handspezialisten sowie für Orthopäden und Traumatologen etabliert. In diesen Bereichen erarbeiten die Entwicklungsteams von Medartis im Austausch mit führenden wissenschaftlichen Instituten und den Anwendern technisch hochpräzise Implantate für die chirurgische Fixierung von Knochenbrüchen und Osteotomien. All dies entsteht am Hauptsitz in Basel und findet von dort seinen Weg in die Welt.
Aktuell beschäftigt Medartis weltweit rund 350 Mitarbeitende. Das Unternehmen hat sich seit seiner Gründung vor rund 20 Jahren an der Weltspitze etabliert.