So extrem gut ist das Schweizer Gesundheitswesen nun auch wieder nicht: Dies in etwa die Kernaussage einer Studie, den der
Commonwealth Fund in New York erarbeitet hat.
Der
Think Tank nahm insgesamt elf Staaten mit hohem Wohlstand zum Vergleich: Australien, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien Kanada, Neuseeland, die Niederlande, Norwegen, Schweden, die Schweiz und die USA. Dann wurden insgesamt 72 Indikatoren angelegt respektive verglichen – verteilt auf fünf Felder: Betreuungsprozesse, Zugänglichkeit, administrative Effizienz, Gerechtigkeit und medizinische Resultate.
Insgesamt am besten schnitten Grossbritannien, Australien und die Niederlande ab. Das erstaunt nun auf den ersten Blick, erscheint doch insbesondere das britische NHS-System ja oft eher als Drohkulisse denn als Vorbild. Die Erhebung aus Amerika besagte aber, dass die Briten in fast allen Kriterien sehr gut abschnitten – das System sorgt für Gleichheit, es bietet viel Prävention (ein Kriterium im Kapitel «Betreuungsprozesse»). Und die Effizienz konnte sich auch sehen lassen. Lediglich bei den medizinischen Resultaten schnitt Grossbritannien schlecht ab – Rang 10.
Wozu sich allerdings einwenden liesse, dass man diesen Punkt auch als entscheidendes Kriterium übergewichten könnte…
Gesamtdurchschnitt aus allen erfassten Kriterien – Grafik: Commonwealth Fund
Wie auch immer. Die Australier auf Rang zwei können mit hoher Effizienz aufwarten, zugleich mit guten medizinischen Resultaten. Und die Niederlande erwiesen sich als Top-Performer beim Care Process, bei der Zugänglichkeit und bei der Gerechtigkeit.
Und die Schweiz? Hier befragten die Tester aus Amerika unter anderem rund 1’500 Erwachsene. Dabei wurde etwa untersucht, wieviel Zeit sich die Ärzte nehmen nehmen – oder andererseits, wie sehr sich die Ärzte über Bürokratie beklagen. In diesem Punkt schnitt die Schweiz sehr schlecht ab, sie kam auf den drittletzten Platz («time spent on issues related to reporting clinical or quality data to government or other agencies is a major problem»).
Unterdurchschnittlich: Rangierung in «Administrative Efficiency»
Und sonst? Im Kapitel «Care Process» fielen die Noten im Bereich Prävention nicht so gut aus. Ein Hinweis auf Schwächen ist auch, dass hierzulande eine hohe Quote von Patienten angab, mangels Erreichbarkeit eines anderen Arztes schon einmal einen Notfallstation aufgesucht zu haben.
Gut waren die Resultate dagegen bei der allgemeinen Zugänglichkeit – zum Beispiel den Wartezeiten – oder bei der Frage, ob sich der Arzt genug Zeit nimmt.
«Care Process»: Durchmischte Bilanz | Grafik: Commonwealth Fund
Überdurchschnittlich waren die helvetischen Resultate beim Dossier Gerechtigkeit beziehungsweise Gleichberechtigung («Equity»):
Gut – aber gewisse Zugangsprobleme: Kriterium «Equity» | Grafik: Commonwealth Fnd
Auf den ersten Blick erscheint höchstens erstaunlich, dass 15 Prozent der Schweizer Befragten aussagten, sie hätten wegen der Kosten ein Zugangsproblem zur medizinischen Versorgung. In diesem Punkt schnitten nur in Kanada, USA und Neuseeland schlechter ab.
Darin dürfte sich spiegeln, dass die hiesige Grundversicherung keine zahnärztlichen Leistungen abdeckt. Wie unlängst gemeldet,
verzichten jährlich etwa 180'000 Personen in der Schweiz aus Kostengründen auf eine Zahnarztbehandlung.
Zugang ist eine Kostenfrage: Kriterium Zugänglichkeit des Systems | Grafik: Commonwealth Fund
Bei der Affordability schneidet die Schweiz auf dem zweitletzten Platz ab, vor den USA; also bei der Frage, ob man sich die Versorgung denn leisten kann.
Immerhin: Im sehr entscheidenden Punkt der «Health Outcomes» – also der eigentlichen medizinischen Resultate – ist Schweizer Gesundheitssystem überdurchschnittlich. Ein Ausreisser, der in diesem Bereich noch zu beachten wäre, sind die vergleichsweise hohen Mortalitätsraten nach akutem Herzinfarkt: Hier meldeten 9 der erfassten 11 Länder bessere 30-Tages-Überlebenswerte als die Schweiz.