Dass die Pharmafirmen für neue Medikamente horrende Preise verlangen – diese Kritik ist ein Dauerbrenner der Gesundheitspolitik. Die Vertreter von «Big Pharma» können andererseits stets das Gegenargument vorbringen, dass ihre Produkte bloss gut zehn Prozent unserer Gesundheitskosten ausmachen.
Die staatlichen Widerstände bei Hepatitis-C-Mitteln wie Harvoni und Exviera lassen aber bereits ahnen, dass hier Bremsen drohen und ein Wendepunkt erreicht sein könnte. Auf der anderen Seite äusserten auch Spitzen-Pharma-Manager jüngst viel Bereitschaft, bei den Medikamentenpreisen nach grundsätzlich neuen Wegen zu suchen.
Die Frage: Reduziert die Arznei die Spitalaufenthalte?
Jetzt steht offenbar ein wichtiger Testfall an – und zwar beim Novartis-Herzmittel
Entresto (LCZ 696). Das Medikament hat das Potential zum milliardenschweren «Blockbuster», andererseits steht es im Konkurrenzkampf mit viel billigeren Medikamenten (die allerdings offenbar deutlich weniger effizient sind).
Wie die
Nachrichtenagentur «Reuters» nun berichtet, prüft der Basler Konzern deshalb ein neues Preismodell: Novartis offeriert den Anbietern, dass sie Entresto zu einem günstigen Preis bekommen – jedoch einen «Nachschlag» bezahlen, wenn sich herausstellen sollte, dass das Novartis-Mittel den Bedarf an teuren Spitalaufenthalten senkt.
Medizin muss kein Spezialfall sein
«Wir beginnen damit, das Risiko zu teilen», sagte
David Epstein, der Chef der Division Pharmaceuticals, gegenüber «Reuters».
Und weiter: «Wenn man andere Waren kauft und sie funktionieren nicht, dann tauscht man sie entweder um oder bekommt sein Geld zurück. Unsere Branche ist hier ein bisschen speziell, denn historisch wird man immer bezahlt für ein Medikament, auch wenn es nicht anschlägt. Ich denke, dass dieses Modell angepasst werden muss.»
Interessanterweise hatte der Chef der Konkurrenz, Severin Schwan, vor Kurzem fast dasselbe bemerkt: «Wir versuchen, mit den Kassen neue Preissysteme zu finden. Entweder mit einem Plafond, was man für eine Therapie ausgeben kann. Oder mit einer Art Geldzurück-Garantie», sagte der
Roche-CEO gegenüber der «Nordwestschweiz». «Aber da sind wir in einem frühen Stadium.»
«Die Pharma-Gesellschaften müssen sich bewegen»
Und fast am selben Tag, ebenfalls in der ersten Juni-Woche, liebäugelte Novartis-Konzernchef in der
«Financial Times» (Paywall) mit einem Umsturz der alten Preis-Prinzipien. «Wenn Europas Gesundheitssysteme zahlungsfähig bleiben wollen, müssen sich die Pharma-Gesellschaften hinbewegen zu neuen Preismodellen, die auf den Resultaten bei den Patienten gründen», sagte Joe Jimenez. Die Pharmakonzerne sollten nicht länger erwarten, dass sie für Mittel bezahlt werden, die nur schwache Vorteile oder bloss wenig Fortschritt gegenüber bestehenden Therapien bieten.
Bei Entresto, dem neuen Herzinsuffizienz-Mittel, bietet sich Novartis jetzt die Chance, eine hohe Abschöpfung zu versuchen und zugleich Fairness zu signalisieren. Die klinischen Versuche zeigten, dass die Patienten einerseits bessere Überlebenschancen haben – und andererseits mussten sie auch seltener wegen einer plötzlichen Verschlimmerung ihrer Herzinsuffizienz hospitalisiert werden als Patienten, die ein Vergleichsmedikament erhalten hatten
(dazu z.B. hier).Es geht also um die Chance, dass hier ein teures Medikament auf den Markt kommt – welches trotzdem dazu beiträgt, die Gesundheitskosten zu senken.
David Epstein wollte sich gegenüber
«Reuters» nicht zu konkreten Preis-Vorstellungen für Entresto äussern. Aber man werde die Kosten-Vorteile ebenso in Betracht ziehen wie die Verbesserung der Lage der Patienten. «Wir versuchen fair und vernünftig zu sein», so der Novartis-Divisionschef.