Was tun nach dem Stopp des Zulassungsstopps? Der Krankenkassenverband Santésuisse – bekanntlich kein Freund der Ärztebeschränkung – hat sich an diesem Montag mit konkreten Vorschlägen zu Wort gemeldet.
Das Paket aus Solothurn ist unterteilt in kurzfristige und längerfristige Massnahmen.
- Kurzfristig seien Anpassungen der kantonalen Taxpunktwerte bei bestimmten Facharztrichtungen der gangbare und rasche Weg.
- Langfristig müsse unter anderem die Lockerung des Vertragszwangs diskutiert werden – «nach klaren Kriterien», so das Argument der grössten Krankenkassen-Organisation.
Zugleich wendet sich Santésuisse erneut gegen eine Zulassungssteuerung für Ärzte – und zwar auch nur als Übergangslösung.
Santésuisse legt dazu Daten vor, die in direktem Widerspruch stehen zu Aussagen, welche Gesundheitsminister Alain Berset gemacht hatte, aber auch Gesundheitsdirektoren wie der Waadtländer Pierre-Yves Maillard oder der Tessiner Paolo Beltraminelli.
Vergleich zweier Kantons-Gruppen
Diese erinnerten an die vorübergehende Aufhebung des Zulassungsstopps 2012/2013 – und dass damals hunderte neue Ärzte eine Praxis eröffneten, mehrheitlich Spezialisten.
Maillard rechnete zum Beispiel für seinen Kanton vor, dass die zusätzlichen Mediziner damals alleine im Waadtland Mehrkosten von rund 100 Millionen Franken verursachten.
Santésuisse vergleicht nun ihrerseits jene 18 Kantone, die in den vergangenen Jahren einen Zulassungsstopp verfügten, mit jenen 8 Kantonen, die darauf verzichteten. Es geht dabei um den Zeitraum 2010 bis 2014. Und hier rechnet der Kassenverband vor, dass die Kosten in der obligatorischen Versicherung in keiner Gruppe abwichen; oder anders: Die Kantone mit Zulassungsstopp konnten auch keine signifikant grösseren Kostensenkungen ausweisen.
Kostenwachstum in der Grundversicherung 2010 bis 2014: Kantone mit und ohne Zulassungsstopp (Quelle: Santésuisse)
«Unabhängig von einer Zulassungssteuerung kommen in allen Kantonen bei den ambulanten Arztleistungen grosse, mittlere und eher moderate Kostensteigerungen vor», rechnet Santésuisse vor.
Santésuisse will denn – wie es seit längerem die Politik des Verbandes ist – eher auf liberale Prinzipien setzen. Als rasches Mittel, um Druck auf die Kosten zu machen, ohne junge Ärzte zu benachteiligen, werden denn facharztspezifische Taxpunktwertsenkungen empfohlen.
Senkung «nach klaren Kriterien»
Das heisst konkret: Die kantonalen Taxpunktwerte sollen facharztspezifisch betrachtet werden – und dann seien sie bei einem Überangebot für eine bestimmte Facharztrichtung nach klaren Kriterien zu senken.
Der Vorteil: Dieses Vorgehen sei sofort umsetzbar und wirksam. Im Hintergrund steht, dass nach der spontanen Beendigung des Zulassungsstopps durch den Nationalrat vor Weihnachten vielerorts die Befürchtung herrscht, dass wir in einen unregulierten Zustand schlittern – mit massiven Kostenfolgen. Mehrere Vertreter in der Gesundheitskommission des Nationalrats prüfen daher dieser Tagen, ob ein weiteres Moratorium doch noch kurzfristig eingebracht und durchgesetzt werden könnte, gültig bis 2019.
Lockerung ja, aber nach transparenten Kriterien
Die Santésuisse-Idee der tieferen Taxpunktwerte hat auf den ersten Blick auch einen Pferdefuss: Bekanntlich reagieren die Spezialärzte auf die tieferen Honorare mit einer Mengenausweitung – so dass die Kosten am Ende auch wieder höher sind. Darauf geht auch der Kassenverband ein: Santésuisse attestiert, dass in Kantonen mit hohen Kosten und ärztlichem Überangebot Korrekturen der Taxpunktwerte nicht genügen.
Und so gehört eine weitere Forderung zum Paket: Es brauche, so Santésuisse, längerfristig die Lockerung des Vertragszwangs. Diese müsse einfach nach transparenten Kriterien erfolgen – und dabei insbesondere Qualitätskriterien.
In der Mitteilung zum Paket erinnert der Verband daran, dass Santésuisse-Präsident Heinz Brand (SVP) im Dezember
einen Vorstoss eingereicht hat: Er verlangt vom Bundesrat, bis spätestens Mitte 2017 einen Bericht und Masterplan für die langfristige Finanzierbarkeit der Krankenpflegeversicherung vorzulegen – mit Schlagseite in Richtung auf eine «Stärkung der Eigenverantwortung in Berücksichtigung der solidarischen Grundkonzeption der OKP».