Was Alzheimer mit Eierstöcken zu tun hat

Depressionen erhöhen das Risiko einer Alzheimererkrankung. Das scheint gewiss zu sein. Eine andere mögliche Ursache liegt im Östrogenschwund, weshalb Frauen häufiger an Alzheimer erkranken als Männer.

, 14. Januar 2018 um 22:32
image
  • forschung
  • alzheimer
Gillian Einstein ist Neurowissenschafterin und Professorin an der Universität von Toronto. In einem Interview mit der «NZZ am Sonntag» äussert die gebürtige Amerikanerin Erklärungsversuche, weshalb Frauen häufiger an Alzheimer erkranken als Männer.

Die Lebenserwartung und das Östrogen

Die höhere Lebenserwartung sei sicher ein Grund, weil das Risiko einer Alzheimer-Erkrankung mit zunehmendem Alter zunimmt. Eine andere Ursache vermutet die Forscherin im weiblichen Geschlechtshormon Östrogen, namentlich im Östrogenschwund.
Männer produzieren zwar nur geringe Mengen Östrogen. Doch die Menge bleibt gleich. Bei Frauen hingegen nimmt die Menge im Alter ab.

«Östrogene bringen Nervenzellen zum Wachsen»

Gillian Einstein erklärt es so: «Östrogene bringen Nervenzellen zum Wachsen, sie festigen Verbindungen zwischen Neuronen. (...) Fehlen Östrogene, ist es einfacher, die neuronalen Verbindungen zu trennen. Und letztlich ist Alzheimer eine Krankheit, bei der Verbindungen zwischen Nervenzellen im Gehirn verloren gehen.»
Stellt sich somit die Frage, weshalb die Östrogenproduktion bei Frauen abnimmt beziehungsweise wie man den Schwund stoppen könnte. Denn laut Einstein bilden Frauen auch nach der Menopause noch Östrogene – und zwar mit der Umwandlung von Testosteron im Gehirn und in den Eierstöcken. 
Werden die Eierstöcke entfernt, kann weniger Östrogen gebildet werden. «Eierstöcke sind die wichtigsten Hersteller von Östrogen bei Frauen», sagt Einstein. Die Entfernung dieses Organs verursache einen plötzlichen Abfall von Östrogen.

Vor allem unsere Mütter sind betroffen

«In der Generation unserer Mütter war es unglaublich üblich, den Frauen nicht nur ihre Gebärmutter, sondern auch ihre Eierstöcke zu entfernen», bedauert die entfernte Verwandte von Albert Einstein. Es sei diese Generation, die jetzt an Alzheimer erkranke.
Der Östrogenschwund ist laut Gillian Einstein nur eine mögliche Erklärung dafür, dass Frauen häufiger an Alzheimer erkranken als Männer. Gesichert scheint jedoch die Häufigkeit an Depressionen zu sein. Tatsache ist, dass Frauen doppelt so häufig an Depressionen leiden wie Männer. «Wir wissen», sagt Gillian Einstein, «dass Depressionen das Risiko für Alzheimer erhöhen.»
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Keine Zulassung für Alzheimer-Medikament Lecanemab

Die Europäische Arzneimittelagentur will den Wirkstoff Lecanemab nicht zulassen. Die Nebenwirkungen seien grösser als der Nutzen.

image

Je weniger Pflege-Fachleute, desto längere Spitalaufenthalte

Mit Team-Nursing können Spitäler viel Geld sparen. Doch eine US-Studie zeigt, dass die Patienten unter diesem Modell leiden.

image

SAMW: Diese KSBL-Ärztin ist ein Vorbild

Magdalena Filipowicz Sinnreich gewinnt den diesjährigen Stern-Gattiker-Preis.

image

Ostschweizer Kispi und HSG: Gemeinsames Diabetes-Forschungsprojekt

Untersucht wird, wie sich Blutzuckerschwankungen auf die Nervengesundheit bei Kindern mit Diabetes Typ 1 auswirken - und welche Rolle Lebensstilfaktoren spielen.

image

Alzheimer Schweiz: SP-Urgestein wird Präsident

Der ehemalige Bieler Stadtpräsident Hans Stöckli übernimmt die Spitze der Organisation.

image

Alzheimer: «Für die Früherkennung eröffnen sich neue Perspektiven»

Demenz-Erkrankungen dürften sich in den nächsten 25 Jahren verdoppeln. Alzheimer-Forscher Julius Popp von der Klinik Hirslanden erläutert, welche Hoffnungen bestehen.

Vom gleichen Autor

image

«Kritiker der Komplementärmedizin haben eine zu einseitige Sicht»

SP-Ständerätin Franziska Roth kritisiert im Interview die Haltung von Gegnern der Komplementärmedizin. Sie verkennen den Wert der ärztlichen Expertise.

image

Physiotherapie: Die Stolpersteine im Tarifstreit

Wie weiter im Tarifstreit in der Physiobranche? Die Frage ist: Welcher Streit – jener über die Tarifstruktur oder jener über den Preis?

image

So funktioniert die Sterbehilfe in Europa

In mehreren Ländern Europas ist die Sterbehilfe entkriminalisiert worden. Ein Überblick.