Berns Gesundheitsdirektor Schnegg verlangt Unmögliches

Dass die Berner Spitex-Landschaft vor der Einführung von Efas umgekrempelt wird, ist für Betroffene unverständlich.

, 3. Mai 2024 um 15:45
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Ursula Zybach, hier im Nationalrat, hat keine Freude am Vorgehen des Berner Gesundheitsdirektors Pierre Alain Schnegg. | Screenshot: www.parlament.ch
Etwas kann man dem Berner Gesundheitsdirektor nicht vorwerfen: Dass er nichts tut. Ob Pierre Alain Schnegg nun aber mit der Zusammenlegung der Spitex-Regionen etwas Sinnvolles tut, darf man definitiv hinterfragen.
Wie hier berichtet, soll es im Kanton Bern nicht mehr 47 Spitex-Regionen geben, sondern nur noch deren 17. Wie aber diese Umsetzung vonstatten gehen soll, lässt die Gesundheitsdirektion offen. Bereits Anfang 2025 soll die WTO-Ausschreibung erfolgen. Ab dem 1. Januar 2026 soll das neue System funktionieren.

Die Zukunft heisst Efas

Pierre Alain Schnegg mache eine Lösung für die Zukunft, heisst es. Doch die Zukunft heisst Efas – einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen.
Heute machen die Kantone mit den Non-Profit-Spitex-Organisationen Leistungsverträge, die die Versorgungssicherheit regeln, weil sie die Restfinanzierung übernehmen müssen.
Sofern das von linken Kreisen lancierte Efas-Referendum abgelehnt wird, wovon auszugehen ist, werden die Tarifstruktur für die Pflegeleistungen aller Spitex-Verträge einheitlich sein. Einheitlich ist auch, wie die Kosten zwischen Krankenversicherer und Kantone aufgeteilt werden.
Markus Moser ist ein aufmerksamer Beobachter des Gesundheitswesens. Er sass und sitzt in Vorständen von Spitälern und Spitzenorganisationen und war von 1987 bis 1997 Leiter der Hauptabteilung Kranken- und Unfallversicherung im Bundesamt für Sozialversicherungen. An der Entstehung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) war er massgeblich beteiligt.

Versorgungspflicht

Im Gespräch mit Medinside betont er, dass ein zentraler Punkt bei Spitex-Verträgen die Versorgungspflicht ist. Wer eine solche eingeht, erhält eine höhere Entschädigung. Wie das dann nach Einführung von Efas aussehen wird, sei überhaupt nicht klar.
Klar sei lediglich, dass dann die Kantone an Einfluss verlieren. Für Moser ist es daher unverständlich, weshalb Pierre Alain Schnegg die gesamte Berner Spitex-Landschaft umkrempelt. Ganz zu schweigen vom Tempo, das er nun einschlägt.

Viele Fragen

Was müssen die Spitex-Organisationen jetzt konkret tun? Sich zusammenschliessen? Kooperationen eingehen? Sich darauf einigen, wie weit sie die Notfallversorgung erfüllen können? All diese Fragen lässt Schnegg offen.
Kritik gibts auch von Ursula Zybach, der Präsidentin des Spitex-Verbands Kanton Bern. Auch sie versteht nicht, weshalb vor Einführung von Efas diese aufwändige Übung durchgezogen wird.
Es wäre sinnvoller, sagt sie, in den aktuellen Strukturen die ganze Energie in andere Bereiche zu verwenden, zum Beispiel in eine sinnvolle Leistungsoptimierung, in Investitionen in neue IT-Tools oder in die Ausbildung und Gewinnung von Pflegepersonen. Nicht alle Spitex-Organisationen hätten heute die gleichen Möglichkeiten.

Ohne Schlussbesprechnung

Die neuen Regionen sind aufgrund eines Obsan-Berichts entstanden. Doch wie Ursula Zybach erklärt, sei es üblich, dass vor Publikation des Berichts noch eine Schlussbesprechung mit den involvierten Akteuren stattfindet.
«Wir hätten gerne auf diesen Bericht ein paar Rückmeldungen gemacht», bedauert Zybach. Doch der Kanton sei nicht gesprächsbereit.
Nun werden gut funktionierende Strukturen aufgebrochen. So wurden Kooperationen und Versorgungsnetzwerke, die sich heute bewähren oder sich im Aufbau befinden, gar nicht berücksichtigt. Das gleiche gilt für Zusammenschlüsse von Spitex-Organisationen mit Heimen. Entgegen der Empfehlung des Obsan-Berichtes wurden sie von der Gesundheitsdirektion nicht berücksichtigt.

Kein Honigschlecken

«Eine WTO-Ausschreibung ist kein Honigschlecken», sagt Ursula Zybach, die seit Dezember für die SP im Nationalrat sitzt. Dazu müssen innert kürzester Frist umfangreiche und fundierte Dokumente eingereicht werden.
Doch vorerst müssten die Spitex-Organisationen wissen, was für Organisationformen in Frage kommen. Sie müssten auch wissen, wie es sich mit der Finanzierungslogik verhält. Informationen dazu hat der Regierungsrat bereits vor langer Zeit fürs zweite Quartal 2024 angekündigt. Noch ist dazu nichts bekannt. Und im ersten Quartal 2025 – es wurde schon gesagt – sollen bereits die Ausschreibungen erfolgen.
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Die 17 neuen Spitex-Regionen im Kanton Bern

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