Nach einem von Covid geprägten 2021, waren die Gesundheitsakteure auch 2022 mit zahlreichen Herausforderungen und Unsicherheiten konfrontiert: Coronavirus, Impfstoffe, Kapazitätsengpässe in den Spitälern und Praxen, volle Notfallstationen, Post Covid, neue Spitallisten, Tarifstreits, rote Zahlen, Kostendruck, Strommangel, Wirtschaftskrise und allem voran der Fachkräftemangel sorgten für Schlagzeilen.
Nun neigt sich das Jahr dem Ende zu – der richtige Moment, Bilanz zu ziehen und einen Blick nach vorne zu werfen: Die Redaktion wollte wissen, welches Thema, neben dem Fachkräftemangel, 2022 besonders beschäftigte und was sich Spitäler, Spitalgruppen und Verbände vom Gesundheitswesen Schweiz im 2023 wünschen.
Rückblick und Neujahrswünsche
«Aktuell steht sehr viel auf dem Spiel»
Daniel Liedtke, CEO Hirslanden-Gruppe. | zvg
Daniel Liedtke, CEO Hirslanden-Gruppe: «Der Fachkräftemangel bleibt eine der grössten Herausforderungen. Nicht nur bei Spitälern schlägt sich der Personalmangel durch. Wartelisten gibt es auch bei Hausärzten, bei den Spezialisten, in Rehabilitationskliniken, den Pflegeheimen sowie im Bereich der Spitex. Und die Wartelisten werden noch länger werden. Nicht die Überversorgung, wie gerne von Politikern behauptet, ist das Problem, sondern eine Unterversorgung.
Für Spitäler erschwerend hinzu kommt die Inflation, welche die Spitalbetreiber nicht weiterverrechnen können. Die Tarifmechanik sieht dies aktuell nicht vor, beziehungsweise sträuben sich die Krankenversicherer dagegen.
Dies ist umso gravierender, als dass die Spitäler mit den aktuellen ambulanten und stationären OKP-Tarifen keine ausreichenden Gewinne machen, und ein nachhaltiger Spitalbetrieb nicht zu erreichen ist. Die obligatorische Krankenpflegeversicherung bestellt Leistungen, die sie nicht nachhaltig finanzieren kann − dies auf dem Buckel der Ärztinnen, Pflegenden, Therapeuten und Spitäler. Wenn die OKP das leisten will, was sie verspricht, dann braucht es höhere Tarife.
Wir haben aus Patientensicht nachweislich das beste Gesundheitswesen in Europa. Aktuell steht aber sehr viel auf dem Spiel. Ich wünsche mir im kommenden Jahr eine offene und transparente Diskussion in der Gesellschaft und in der Politik, welches Gesundheitswesen wir in Zukunft wollen – und zu welchem Preis.»
«2022 war sehr herausfordernd und stellenweise nur schwer verdaulich»
Uwe E. Jocham, Direktionspräsident Insel Gruppe. | zvg
Uwe E. Jocham, Direktionspräsident Insel Gruppe: «Das Jahr 2022 war sehr herausfordernd und stellenweise nur schwer verdaulich. Umso mehr bin ich vom Zusammenhalt unserer über 12 000 Mitarbeitenden beeindruckt, die sich tagtäglich mit viel Leidenschaft in den Dienst der Gesellschaft stellen. Diese Sinnstiftung ist tief in unserer DNA verankert. Schwierig wird es, wenn äussere Einflüsse die Freude am Beruf trüben.
Ich denke da an die mannigfaltigen Herausforderungen, die uns als Insel Gruppe erneut auf die Probe gestellt haben: den tiefgreifenden Fachkräftemangel, Bettensperrungen und die Überlastung diverser Kliniken, Abteilungen und Zentren. Oder an den erschütternden russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, der uns alle betroffen gemacht hat und grossen Einfluss auf unsere finanzielle Planungssicherheit nimmt.
Ich wünsche mir, dass wir die grosse Solidarität untereinander beibehalten und dadurch diejenigen Menschen weiterhin auf dem gewohnt hohen Niveau versorgen können, die uns am Herzen liegen: unsere Patientinnen und Patienten. Hierzu braucht es neben Herzblut auch eine faire Abgeltung unserer Leistungen in den Tarifsystemen – dafür machen wir uns auch künftig stark.»
«Steigende Energie- und Produktkosten stellen eine grosse Herausforderung dar»
Benno Fuchs, CEO/Vorsitzender der Geschäftsleitung Luzerner Kantonsspital. | zvg
Benno Fuchs, CEO/Vorsitzender der Geschäftsleitung Luzerner Kantonsspital: «Seit 2019 laufen am Luzerner Kantonsspital alle Patientendaten in Echtzeit und vollständig digital in einem System zusammen. Das ist so einzigartig in der Schweiz. Patientinnen und Patienten, Mitarbeitende und Zuweisende – alle profitieren vom Klinikinformationssystem LUKiS.
Dessen Optimierung und Weiterentwicklung war auch 2022 eine Daueraufgabe. Zudem bereiten wir das Spital Nidwalden darauf vor, dass es als viertes Spital der Luks Gruppe 2024 auch LUKiS nutzen kann. Die konsequente Digitalisierung ist unerlässlich für eine weiterhin qualitativ hochstehende, wirksame und wirtschaftliche Gesundheitsversorgung.
Dies gilt auch für die bauliche Infrastruktur. Der Neubau Kinderspital/Frauenklinik ist auf Kurs, und mit dem Ambulanten Zentrum in Luzern, der Aufstockung in Stans und den Spitalneubauten in Wolhusen und Sursee wurden 2022 weitere Grossprojekte vorangetrieben.
Eine grosse Herausforderung stellen die Teuerung sowie steigende Energie- und Produktkosten dar. Es wäre zu wünschen, dass die Leistungsfinanzierer angesichts steigender Kosten (Inflation, medizinische Entwicklung und unerlässliche Investitionen usw.) unsere erbrachten Leistungen auch tariflich sachgerecht abgelten.»