Überlastete Notfallstationen, ein Mangel an qualifiziertem Personal oder steigende Kosten – diese Probleme führen zusehends zu erschreckenden Konsequenzen: Während etwa das Kantonsspital Aarau in eine massive finanzielle Schräglage geraten ist und
3,5 Millionen Franken Verlust schreibt, schliesst die Insel Gruppe laut
Communiqué von Montag den Spitalbetrieb Münsingen per Ende Juni 2023 sowie den Spitalbetrieb Tiefenau per Ende Dezember 2023.
Darüber hinaus sehen sich Spitäler zusehends dazu gezwungen, mangels Personal Betten zu schliessen. Allein bei Hirslanden werden über die Gruppe hinweg aktuell mehr als 200 Betten weniger betrieben, wie die private Spitalgruppe auf Anfrage bestätigt.
«Nicht tragbar»
Die Krux: Die Forderungen an die Politik seitens der Spitäler und Kliniken haben bisher wenig Wirkung gezeigt. Ihr Anliegen, die Tarife um 5 Prozent zu erhöhen, um der Inflation entgegenzuwirken, stiess bei Gesundheitsminister Alain Berset auf taube Ohren.
In einem Brief an die Kantonsregierungen von Ende März, schrieb Alain Berset, dass eine solche Erhöhung für das System nicht tragbar sei. Allein für Krankenhäuser würde die Erhöhung aller Tarife um 5 Prozent eine Steigerung von mindestens 680 Millionen Franken bedeuten.
Antwortschreiben an Berset
Wie Recherchen von
«RTS» weiter zeigen, stellen sich die Kantone, die für die Festlegung der Spitaltarife zuständig sind, nun hinter die Spitäler. In einem Schreiben, das «RTS» vorliegt, sollen die kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK-CDS) den geforderten Tariferhöhungen der Spitäler zustimmen.
Auszug aus dem aktuellen Brief an Alain Berset. Printscreen «RTS».
«Der Steuerungsausschuss der GDK-CDS ist der Ansicht, dass eine Anpassung der Regeln für die Berechnung der Tarife notwendig ist, um den Preisanstieg sofort integrieren zu können», zitierte der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Romandie aus dem vorliegenden Schreiben.
GDK fordert Überprüfung
Eine Überprüfung des Spitalpreissystems fordert Rebecca Ruiz: «Es ist seit einigen Jahren bekannt, dass die erbrachten Leistungen im Krankenhausbereich nicht ausreichend vergütet werden. Es scheint daher zum jetzigen Zeitpunkt, dass das Preissystem für Krankenhäuser, die wesentliche Dienstleistungen für unsere Bevölkerung erbringen müssen, unbedingt abgedeckt werden muss», sagte die Waadtländer Staatsrätin für Gesundheit und Vizepräsidentin des CDS, am Freitag gegenüber «RTS».
Auf der Seite von Hplus wird diese Position begrüsst. Dies, obschon man sich bewusst sei, dass die Erhöhung der Tarife zwangsläufig eine Erhöhung der Krankenversicherungsprämien führen würde.
«Wenn die Bevölkerung immer mehr Pflege verlangt, hat das, wen wundert's, Mehrkosten zur Folge», so Christian Schneider, Direktor des Klinikums Biel und Vizepräsident des Dachverbandes der Schweizer Spitäler Hplus. Er sei davon überzeugt, dass eine erneute Prämienerhöhung unvermeidlich sei, um die Qualität in der Pflege zu erhalten.
Bericht «missverständlich»
Auf Anfrage von Medinside erklärt Tobias Bär, Mediensprecher der GDK: «Die Berichterstattung von RTS ist etwas missverständlich.» Es sei nicht so, dass die GDK-CDS die Forderung von Hplus nach einer flächendeckenden Tariferhöhung um 5 Prozent einfach tel quel unterstütze. In dem entsprechenden Antwortschreiben an den Bundesrat äussere man sich etwas differenzierter.
So sieht der Vorstand der GDK Anpassungsbedarf bei den Regeln der Tarifermittlung, damit die Teuerung unmittelbar einbezogen werden kann.
Vom Bund wird nun erwartet, dass er die Tarifpartner und Kantone bei der rechtlichen Verankerung einer Lösung unterstützt und zusammen mit den Kantonen nach Lösungen für die aktuellen und langfristigen Finanzierungsprobleme im Gesundheitswesen sucht.
Auszug aus dem Schreiben der GDK-CDS an Alain Berset
Die Kantone sind sich ihrer Verantwortung sehr wohl bewusst, die ihnen bei der Genehmigung und Festsetzung der Tarife zukommt – sowohl für die Leistungs- als auch für die Kostenseite.
Die Tarife in einigen stationären und ambulanten Bereichen und verbreitet insbesondere bei spitalambulanten Leistungen sind seit Jahren nicht kostendeckend, das heisst die erbrachten Leistungen sind unterfinanziert.
Die bereits angespannte Lage verschärfte sich im vergangenen Jahr durch die Teuerung. Diese liess die Kosten für die Energie, für medizinische Güter sowie für das Personal, dem nur teilweise ein Teuerungsausgleich gewährt werden konnte, markant ansteigen.
Dazu kommt der akute Personalmangel im Gesundheitswesen, der zu einem gesteigerten Wettbewerb um das Personal führt, dem die Leistungserbringer wiederum mit höheren Löhnen und/oder kürzeren Arbeitszeiten begegnen.
Das bestehende System der Spitalfinanzierung und vor allem die Tarifverhandlungen sind nicht darauf ausgelegt, auf unerwartete, massive Veränderungen in den Kosten zu reagieren. Die Teuerung ist nur ein Beispiel für solche Veränderungen, die nicht unmittelbar berücksichtigt werden können.
Den Kantonen ist die Kostendämpfung im Gesundheitswesen ein zentrales Anliegen. Die Kantone bringen sich bei den laufenden Projekten zur Abfederung der Prämienlast wie etwa dem Paket 2 mit Massnahmen zur Kostendämpfung oder dem Gegenvorschlag zur Kostenbremse-Initiative deshalb konstruktiv ein.
Überdies hat die GDK die Vorlage zur Zulassung von ambulanten Leistungserbringern unterstützt und die Kantone sind derzeit daran, die neuen Vorgaben zur Beschränkung der Anzahl Ärztinnen und Ärzte umzusetzen.
Die Kantone haben aber gleichzeitig subsidiär dafür zu sorgen, dass die Tarife die Kosten und die notwendigen Investitionen der Gesundheitseinrichtungen, die ihre Leistungen effizient erbringen, decken.
Das ist heute zunehmend nicht mehr der Fall. Das ist ein Problem, dem die Tarifpartner, die Kantone und der Bund nur gemeinsam begegnen können. Der Vorstand der GDK sieht Anpassungsbedarf bei den Regeln der Tarifermittlung, damit die Teuerung unmittelbar einbezogen werden kann. Der Vorstand erwartet vom Bund, dass er die Tarifpartner und Kantone bei der rechtlichen Verankerung einer Lösung unterstützt und zusammen mit den Kantonen nach Lösungen für die aktuellen und langfristigen Finanzierungsprobleme im Gesundheitswesen sucht.