Was heisst Schildbürgerstreich auf Italienisch? Wer in Südtirol als Arzt tätig sein möchte, sollte darauf eine Antwort haben. Denn seit Jahresbeginn gilt, dass Mediziner und Pflegepersonal zweisprachig sein müssen – Deutsch allein genügt nicht, auch wenn in der italienischen Alpen-Provinz Hinz & Kunz so spricht.
Wie das regionale
Nachrichtenportal «Stol.it» berichtet, wurden die ersten rein deutschsprachigen Mediziner und Pflegerinnen nun informiert, dass ihre Verträge nicht verlängert werden. Es geht um nennenswerte Zahlen: Über
180 Ärzte und 220 Pflegeprofis müssen die Südtiroler Spitäler womöglich bald verlassen – weil ihnen der «Zweisprachigkeitsnachweis» fehlt.
Im Hintergrund steht, dass viele Gesundheitsprofis aus Deutschland und Österreich in Südtirol tätig sind. Kein Wunder auch: Es ist eine Win-Win-Situation. Die Zuwanderer helfen, die auch in Italien teils drängende Medizinpersonal-Not zu lindern; und sie selber erhalten Chancen in einer Gegend mit hoher Lebensqualität und guter Küche.
Doch die Regierung in Rom will, dass alle Ärzte in Italien auch italienisch sprechen. Das sorgte in den letzten Jahren für allerlei Konflikte, denn Rom nahm das Anliegen ernst – notabene lange vor Amtsantritt der heutigen Regierungschefin Giorgia Meloni.
«Polizeistaatliches Vorgehen»
«Auf Anweisung der italienischen Gesundheitsministerin findet derzeit in Süd-Tirol eine regelrechte polizeiliche Kontrolljagd auf deutschsprachige Ärzte statt», wetterte etwa
ein Südtiroler Landtags-Abgeordneter im Mai 2019: «Italien hat angeordnet, all jene Ärzte aus Österreich und Deutschland aufzuspüren, die in den Süd-Tiroler Krankenhäuser arbeiten und nicht ausreichend Italienisch sprechen. Dieses polizeistaatliche Vorgehen ist skandalös und ein Affront gegenüber Süd-Tirol, denn die italienische Regierung macht damit deutlich, dass die Süd-Tiroler Bürger zweiter Klasse sind, deren deutsche Muttersprache unbedeutend ist.»
Ende Provisorium
Doch wer im öffentlichen Dienst arbeitet, muss weiterhin beide Sprachen beherrschen – und dies gilt auch für die Spitäler: Dort ist eine Festanstellung ohne Zweisprachigkeitsnachweis nicht möglich.
Aber angesichts des herrschenden Fachkräftemangels bot der Südtiroler Sanitätsbetrieb (dem die 7 Spitäler in der Region unterstehen) rein deutschsprachigen Medizin-Angestellten einen provisorischen Vertrag; das Personal musste sich einfach verpflichten, innert drei Jahren den Zweisprachigkeitsnachweis zu erlangen.
Diese Frist ist nun abgelaufen – und offenbar bedeutet dies für viele Mediziner und Pflegefachleute die Kündigung, weil es ihnen immer noch an Italianità mangelt.
Der Südtiroler Gesundheitsversorgung droht damit ein erheblicher Rückschlag, denn auch zwischen Bozen und Meran leidet die Branche unter den bekannten Lücken. So ergab kürzlich eine
Umfrage des Spitalinternisten-Verbands Fadoi, dass die Hälfte der Ärzte im Südtirol – laut eigener Aussage – nicht mehr Medizin studieren würden, wenn sie nochmals vor der Wahl stünden.
Als tiefere Ursache dafür gaben 25 Prozent den allgemeinen Mangel an medizinischem und pflegerischem Personal an.