Aktuell hört man viele Stimmen, die den hohen Kostendruck in der Spitallandschaft beklagen. Welche Herausforderungen bewegen Sie als CEO bzw. CFO der Merian Iselin Klinik?
Stephan Fricker: Wie viele andere Kliniken stehen auch wir vor grossen Herausforderungen, vor allem wirtschaftlicher Art. Die Branche ist unterfinanziert, sowohl im stationären Grundversicherungsteil, aber auch in den ambulanten Angeboten. Deshalb müssen wir unsere Kosten optimieren und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit verbessern. Diese Aufgabe gestaltet sich besonders schwierig, da der administrative Aufwand – unter anderem durch neue Regulierungen – stetig zunimmt. Trotz dieser Erschwernisse möchten wir die hohe Qualität unserer medizinischen Leistungen nicht nur beibehalten, sondern, wo immer möglich, weiter steigern.
Thomas Straumann: Vor allem müssen wir Effizienzpotenziale konsequent nutzen. Auf diese Weise schaffen wir die finanziellen Spielräume, die wir brauchen, um nicht nur den laufenden Betrieb zu sichern, sondern auch in zukunftsweisende Projekte und Technologien investieren zu können.
Stephan Fricker: Eine weitere zentrale Herausforderung ist der Mangel an qualifizierten Fachkräften. Wir stehen in einem intensiven Wettbewerb um die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Um in diesem Wettbewerb erfolgreich zu sein, ist es für uns von höchster Bedeutung, uns als attraktive Arbeitgeberin zu positionieren. Nur so können wir auch in Zukunft hochqualifizierte Fachkräfte gewinnen und binden, die unsere medizinischen Standards sichern und weiterentwickeln.
Wo sehen Sie in Ihrer Klinik die Effizienzpotenziale?
Thomas Straumann: In den vergangenen Jahren haben wir in Digitalisierungsprojekte investiert, um arbeitsintensive, administrative Abläufe sowohl für unsere Mitarbeitenden als auch für unsere Kunden zu vereinfachen.
Stephan Fricker: Mit dem Bau- und Prozessoptimierungsprojekt «OP 2025» haben wir zudem einen wichtigen Schritt unternommen, um die Zukunft der Klinik in einem unserer zentralen Geschäftsfelder langfristig abzusichern. Dieses Projekt bringt uns nicht nur Wettbewerbsvorteile, sondern schafft auch die Basis für eine noch bessere Patientenversorgung.
Thomas Straumann: Darüber hinaus haben wir ein komplett neues Logistikkonzept eingeführt. Im Rahmen dieses Projekts haben wir zahlreiche Logistikleistungen ausgelagert, um uns verstärkt auf unser Kerngeschäft fokussieren zu können. Diese Massnahme ermöglicht es uns, effizienter zu arbeiten und unsere Ressourcen gezielt dort einzusetzen, wo sie am dringendsten benötigt werden.
«Die Evaluation ergab, dass das Outsourcing verschiedener Logistikleistungen an die Post auch viele weitere positive Effekte mit sich bringt» , Thomas Straumann
Sie haben sich vor knapp einem Jahr entschieden, das Zentrallager ihrer Klinik outzusourcen. Was waren die Gründe?
Stephan Fricker: Durch das kontinuierliche Wachstum der Klinik stieg der Bedarf nach mehr Raum im OP-Trakt. Da sich die bisherigen Zentrallagerräume für eine Erweiterung des OP-Bereichs gut eigneten, mussten wir eine neue Lösung für das Lager finden.
Wir haben drei Optionen geprüft: den Aufbau eines eigenen externen Lagers, die Zusammenlegung mit einem anderen Spital und das Outsourcing an einen Logistikspezialisten.
Thomas Straumann: Die Evaluation ergab, dass das Outsourcing verschiedener Logistikleistungen an die Post – neben der Schaffung von zusätzlichem Raum für den OP-Trakt – auch viele weitere positive Effekte mit sich bringt.
Welche Logistikleistungen lagern sie aus?
Stephan Fricker: Im Kern geht es um die Auslagerung unseres Lagers. Unsere Logistikpartnerin, die Post, verwaltet alle medizinischen Verbrauchsmaterialien, die wir in der Klinik benötigen. Neigt sich der Bestand eines Artikels dem Ende zu, liefert die Post uns auf eine entsprechende Bestellung diesen Artikel am nächsten Tag. Darüber hinaus übernimmt die Post den operativen Einkauf bei unseren Lieferanten sowie die Abwicklung der Kreditoren- und Debitorenprozesse. Dadurch werden unsere Mitarbeitenden von zeitaufwändigen, administrativen Routinetätigkeiten entlastet.
Thomas Straumann: Ein zusätzlicher Vorteil: Die Post finanziert die Lagerbestände vor, was uns finanziellen Spielraum verschafft.
Welche positiven Effekte hat das Outsourcing noch?
Thomas Straumann: Ein zentraler Vorteil unseres neuen Logistikkonzepts ist die Entlastung unserer Mitarbeitenden. Logistikkräfte, die früher in der Warenannahme, Kommissionierung und Lagerverwaltung gebunden waren, konzentrieren sich nun auf die Materialversorgung der Abteilungslager. Das entlastet unsere Pflegekräfte von logistischen Aufgaben, sodass sie mehr Zeit für die direkte Patientenversorgung und andere wertschöpfende Tätigkeiten haben.
Stephan Fricker: Durch die Erweiterung des OP-Trakts konnten wir effizientere Prozesse bei der Vorbereitung und Nachsorge von Operationen einführen und gleichzeitig die Arbeitsplatzsicherheit erhöhen. Dank des Outsourcings konnten zudem neue, komfortable Garderoben für unsere Mitarbeitenden gebaut werden, was die Attraktivität des Arbeitsplatzes steigert.
Thomas Straumann: Auch die Umwelt und das Quartier profitieren vom Outsourcing: Statt täglicher Mehrfachanlieferungen konnten wir die Anzahl der Lieferungen stark reduzieren. Das hat Lärm, Abgase und Verkehrsbehinderungen durch Lieferfahrzeuge erheblich verringert.
«Unsere Logistikpartnerin, die Post, verwaltet alle medizinischen Verbrauchsmaterialien, die wir in der Klinik benötigen», Stephan Fricker
Wie wirken sich das Outsourcing wirtschaftlich aus? Können Sie nach knapp einem Jahr Zahlen nennen?
Stephan Fricker: Wir können heute klar feststellen, dass wir deutlich effizienter arbeiten und den wertschöpfenden Anteil der Arbeitszeit unserer Mitarbeitenden erhöhen konnten. Konkrete Zahlen liegen uns zwar noch nicht vor, aber ein wichtiger Aspekt ist das positive Feedback unserer Belegschaft. Trotz der Herausforderungen, die solche Veränderungen mit sich bringen, schätzen insbesondere unsere Pflegefachkräfte, dass sie mehr Zeit für ihre Hauptaufgabe – die Pflege der Patienten – haben. Das stärkt nicht nur ihre Zufriedenheit, sondern macht uns auch als Arbeitgeberin attraktiver.
Ist Ihnen der Entscheid, zentrale Teile Ihrer Logistik auszulagern, leichtgefallen?
Stephan Fricker: Selbstverständlich fällt man solche Entscheide nicht einfach so. Wir haben die Situation sehr sorgfältig analysiert und uns viele Gedanken gemacht, zum Beispiel zu allfälligen Abhängigkeiten, aber auch zu möglichen internen Widerständen. Wenn man von Outsourcing und Effizienz spricht, löst das immer auch Ängste aus. Wir können aber sagen, dass wir aufgrund des Outsourcings keine Mitarbeitenden entlassen mussten, sondern mehr Produktivität schaffen konnten. Deshalb sind wir heute immer noch überzeugt, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben.