Soll das Kantonsspital St. Gallen auch ein Zentrum für Herzchirurgie werden Gemeinsam mit dem Universitätsspital Zürich und dem Stadtspital Zürich plant das KSSG den Auf- und Ausbau einer Allianz in diesem Bereich. Die drei Spitäler bewerben sich zusammen um entsprechende Leistungsaufträge. «Ziel ist die kantonsübergreifende Sicherstellung und Weiterentwicklung der herzchirurgischen Versorgung»,
so die Erklärung bei der Lancierung im vergangenen Herbst.
Das traf – teils auch innerkantonal – auf Widerspruch in einer Zeit, wo die St. Galler Spitäler beispielsweise beim Pflegepersonal sparen müssen. Ende Februar legte dann Hans Rickli, der Chefarzt der KSSG-Klinik für Kardiologie, die Pläne einer breiteren Öffentlichkeit dar. «Bypässe und Herzklappen sind herzchirurgische Grundversorgung», sagte er in einem grossen
Interview mit dem «Tagblatt»: «Hochspezialisierte Eingriffe, wie Transplantationen, werden auch künftig nicht in St.Gallen gemacht. Es bestehen sowohl heute als auch morgen keine Absichten, dies zu ändern.»
Wohnortsnah und ohne Unterbruch
Er strebe in St. Gallen kein weiteres Herzzentrum an, so Rickli. Aber das KSSG wolle eine regionale Versorgung dort, wo es möglich ist. «Unsere Kardiologie ist die fünftgrösste der Schweiz, aber ihr fehlt die Herzchirurgie. Diese Lücke wollen wir schliessen. Herzchirurgie und Kardiologie arbeiten immer enger zusammen.»
Benötigt zum Beispiel jemand eine Herzklappe oder einen Bypass, dann muss Rickli diese Person heute an eine Klinik ausserhalb des Kantons überweisen. Künftig könnte man aber «diese Patienten wohnortnah und ohne Unterbruch des Behandlungsprozesses am Kantonsspital versorgen.»
Auf der anderen Seite wäre so eine Verbundlösung mit drei Standorten in der stationären Versorgung eine zukunftsweisende Lösung.
«Sicherheit im Seitenwagen»
Doch wenige Tage nach dem Interview meldete sich ein weiterer bekannter
Herzspezialist beim «Tagblatt»: Thierry Carrel, der inzwischen als Herzchirurg am USB tätig ist, wollte ebenfalls öffentlich Widerspruch anmelden. Seine Argumentation: Die Zeiten für solche Ausbau-Projekte seien vorbei. Man habe schliesslich allgemein rückläufige Fallzahlen in der Herzchirurgie.
Zwar ist – beispielsweise – der Herzklappenersatz mittels Katheter immer noch ein Eingriff, der eine Herzchirurgie benötigt. Aber dies werde in absehbarer Zeit ändern: Die Herzchirurgie «als Sicherheit im Seitenwagen» werde wohl schon in wenigen Jahren überflüssig sein.
«Hier wird der Bedarf einer Herzchirurgie missbraucht, um der Kardiologie solche Katheterverfahren bei einem Klappenersatz zu ermöglichen», so Carrel zu den St. Galler Plänen. Das sei eine der bestbezahlten Behandlungen – und beim gemeinsamen Projekt gehe es «selbstverständlich um Prestige und Umsatz».
Die Fallzahlen-Frage
Doch die sehr spezialisierten Eingriffe, auf die sich die heutige Herzchirurgie verstärkt konzentriert – etwa Transplantationen – «werden nie oder höchst selten in St.Gallen gemacht und wenn, dann mit ungenügenden Fallzahlen».
Die Zahlen, die das KSSG erreichen könnte, «werden nicht reichen, um rasch Routine zu gewinnen», so Carrel.
Skeptisch ist der Herzchirurg auch gegenüber dem Plan der St. Galler das Feld mit zwei Zürcher Spitälern abzudecken: Am Ende würden die Patienten einfach hin- und hergeschoben, um die Statistik einzurenken, so seine Befürchtung. «Dass dieselben Chirurgen im Unispital Zürich, im Triemli und dann auch noch in St.Gallen tätig und verantwortlich sind, ist ein Unding.»
Das Ganze führe «zu einer weiteren sinnlosen Zerstückelung und Kantönli-Lösung», sagte Carrel. «Wer so entscheidet, lebt noch im vorherigen Jahrhundert.» Die Entwicklung zeige in eine andere Richtung. Sechs Herzchirurgien genügten in der Schweiz – vier an Universitätsspitälern und zwei an grossen Privatkliniken.