Die Anwendung von Semaglutid als Mittel zur Gewichtsabnahme war eines der grossen medizinischen Themen der vergangenen Monate – sowohl in den Apotheken und Arztpraxen wie an den Börsen. Die «Abnehm-Spritzen» Wegovy respektive Ozempic wurden phasenweise so stark nachgefragt,
dass sie nicht mehr erhältlich waren (und dass Fälschungen auf den Markt gedrückt wurden).
Eine entscheidende Frage tauchte dabei allerdings kaum je auf: Wie steht es um die Haltbarkeit dieser Mittel?
Denn wer mit Semaglutid den Appetit zügelt und die Kalorienaufnahme senkt, muss dies immer tun. Sonst droht der Jo-Jo-Effekt.
Wirkung ist wichtig
Dazu liegt nun erstmals eine Studie vor, welche die längerfristige Adhärenz bei Anti-Obesity-Mitteln untersuchte. Ein Hauptresultat dabei: Nach einem Jahr nutzten bloss noch 19 Prozent der Probanden die Medikamente.
Konkret handelt es sich um eine retrospektive Kohortenstudie, die an der Cleveland Clinic erarbeitet wurde. Die Forscher um den Internisten Hamlet Gasoyan beobachteten 1'911 Erwachsene mit einem BMI über 30, die mindestens ein Jahr zuvor einen Anti-Obesity-Wirkstoff verschrieben bekommen hatten. Dabei untersuchten sie, wie es um die Therapietreue nach drei, sechs und zwölf Monaten stand.
Zusammenfassend lautet die Antwort: mässig. Nach drei Monaten lösten nur noch 44 Prozent der Teilnehmer ihre Rezepte ein. Nach sechs Monaten war die Quote auf 33 Prozent gesunken. Und nach einem Jahr lag sie bei 19 Prozent – oder anders: Fast alle hatten die Übung aufgegeben.
Das Team um Dr. Gasoyan untersuchte die Nutzerinnen und Nutzer diverser Mittel (beispielsweise auch Phentermin plus Topiramat oder von Liraglutid). Am stabilsten waren – immerhin – noch die Patienten, denen Semaglutid verschrieben worden war (also Mittel wie Ozempic respektive Wegovy): Hier nutzten nach einem Jahr 40 Prozent das Mittel immer noch.
Man kann das Ergebnis also auch positiv deuten – wie es «Reuters» tat: «Adherence to weight-loss drugs is far higher with Wegovy than older medicines», so die
Schlagzeile der Nachrichtenagentur.
Theorie versus Realität
Die Studie aus Cleveland deutet jedenfalls an, dass das Ausmass der Wirkung entscheidend ist, ob die Patienten abspringen oder nicht.
«Die langfristige Nutzung von Medikamenten gegen Fettleibigkeit ist gering»,
sagt Hamlet Gasoyan, «aber unsere Ergebnisse zeigen Faktoren, welche die Fortsetzung der Behandlung wahrscheinlicher machen: Patienten, die wirksamere Medikamente gegen Fettleibigkeit erhielten und die nach sechs Monaten einen stärkeren Gewichtsverlust erlebten, hielten sich auch nach 12 Monaten noch eher daran.»
Dennoch – insgesamt liess die Kohortenstudie ahnen, welche Gräben zwischen der theoretischen Wirkung, der Darstellung in den Medien und der Realität eines Mittels klaffen.
«Die überwiegende Mehrheit der Patienten brach die Einnahme im ersten Jahr ab», so ein Fazit der Studie: «Wir müssen besser verstehen, welche Faktoren mit dem Rückgang des Langzeitgebrauchs dieser Medikamente verbunden sind.»