Pharmakonzerne dürfen in Deutschland den Preis frei wählen, wenn sie ein neues Medikament auf den Markt bringen. Nach einem Jahr bewertet ein Gremium aus Vertretern von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken den Wert des neuen Medikaments.
Hat das neue Medikament keinen belegten Zusatznutzen gegenüber älteren Mitteln, muss das Pharmaunternehmen einen Rabatt gewähren.
Dieser Rabattpreis für Deutschland war bisher öffentlich und hatte Auswirkungen auf andere Länder, weil diese dann auch eine entsprechende Ermässigung forderten. Eli Lilly will künftig aber wie in anderen EU-Staaten die Rabatte geheim halten.
Eli Lilly verhandelt über Mounjaro
Derzeit verhandelt der Pharmakonzern Eli Lilly mit den deutschen Krankenkassen über den Preis für sein neues Diabetesmedikament Mounjaro, das gleichzeitig als Abnehmspritze bekannt ist. Für Diabetespatienten bezahlen es die Krankenkassen. Wer jedoch abnehmen will, muss die Kosten selber übernehmen.
Für Mounjaro haben die Krankenkassen und Ärzte bei der Überprüfung kaum Zusatznutzen festgestellt. Für Eli Lilly bedeutet das, dass der Konzern in Deutschland einen hohen Rabatt gewähren muss.
Erstmals vertraulich
Laut einem TV-Bericht auf
ARD rechnen Experten damit, dass das Unternehmen deshalb bei diesem Präparat erstmals vom neuen Recht auf einen Geheimpreis Gebrauch machen wird.
Der Vorteil für Eli Lilly wäre, dass die Abnehmwilligen für ihre Spritze einen höheren Preis zahlen und nicht erfahren, wie gross der Rabatt ist, den Krankenkassen auf das Präparat erhalten. Auch Ärzte wissen nicht, wie teuer Mounjaro im Vergleich zu ähnlichen Medikamenten ist.
Wäre der Rabatt bekannt, den das Pharmaunternehmen auf den Preis von Mounjaro gewährt, könnte es für den gleichen Wirkstoff als Abnehmspritze kaum einen höheren Preis verlangen.
Pharmakonzern dementiert
Gemäss
Recherchen von «Investigate Europe» soll Eli Lilly sogar den Neubau eines Pharmawerks in Rheinland-Pfalz davon abhängig gemacht haben, dass Deutschland vertrauliche Medikamenten-Preise gesetzlich erlaubt.
In diesem Werk will Eli Lilly Medikamente mit dem Wirkstoff Tirzepatid herstellen. Es ist der Wirkstoff für das Diabetes-Medikament Mounjaro. Er wird auch für die Abnehmspritze Zepbound verwendet, die in der EU vermutlich bald zugelassen wird.
Der Konzern dementiert einen Zusammenhang: Die Entscheidung über die Investition in Rheinland-Pfalz sei bereits zuvor getroffen worden.
«Geheimpreise schädlich»
In Deutschland ist die Einführung von vertraulichen Rabatten stark umstritten. Experten im Gesundheitswesen fürchten Preiserhöhungen nicht nur für Deutschland, sondern in allen europäischen Ländern. Denn Ärzte und Ärztinnen würden nicht mehr die genauen Preise kennen und nicht mehr wissen, ob ein Medikament teurer oder billiger ist als ein gleich gutes anderes.
Der Verband der Krankenkassen rechnet bereits im ersten Jahr mit Mehrkosten von bis zu 840 Millionen Euro – unter der Annahme, dass für zehn Prozent aller neuen Medikamente der Preis geheim bleiben soll.
«Kassen profitieren von Rabatten»
Befürworter halten dem entgegen: Vertraulich verhandelte Preise ermöglichen, dass grössere Rabatte gewährt werden, ohne dass ein Arzneimittel daraufhin weltweit nur noch zu einem tiefen Preis verkauft werden kann.
Für die Pharmafirmen erhöht sich damit der Spielraum für Rabatte. Von diesen könnten wiederum die Krankenkassen profitieren.
Schweiz: 2020 erstmals ein geheimer Preis
Vertraulich verhandelte Preise sind auch in der Schweiz ein umstrittenes Thema. Bis 2020 verhandelte die Schweiz keine vertraulichen Arzneimittelpreise. In der Spezialitätenliste war von jedem Medikament, das die Krankenkassen vergüten, sowohl der Fabrikabgabepreis als auch der Publikumspreis aufgeführt.
Vor gut vier Jahren bewilligte der Bundesrat erstmals eine neue Krebsbehandlung «zu einem reduzierten, vertraulichen Preis». Ohne Geheimhaltungsvertrag hätte die Schweiz den Rabatt nicht erhalten.
Der Bundesrat will solche vertraulichen Preismodelle im zweiten Kostendämpfungspaket gesetzlich verankern. Die Krebsliga wehrt sich dagegen.
Es geht bei vielen dieser Verträge um neue teure Krebsmedikamente. Das Argument der Krebsliga: Die Preismodelle würden verhindern, dass die wirkungsvollsten Substanzen zum besten Preis in die Spezialitätenliste aufgenommen werden.