Die Schweiz hat weltweit eine der höchsten Ärzte- und Pflegedichte. Trotzdem verschärft sich der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen und wegen zunehmender Bürokratie bleibt immer weniger Zeit für die Patienten. Der Nachwuchs hat andere Vorstellungen zur Work-Life-Balance und ist nicht mehr bereit, die Arbeitskultur der Vorgänger weiterzuführen.
Medizinische Innovation, demographische Entwicklung und die Ansprüche der Bevölkerung treiben die Nachfrage. Das Anreiz-, Planungs-, Steuerungs-, Finanzierungs- und Subventionierungssystem ist inkonsistent und insuffizient. Wenige Spitäler wurden bislang geschlossen, Einige mussten finanziell gerettet werden. Die Ebitdar-Rate von 10 Prozent wird nur von Privatklinikgruppen und wenigen Musterschülern erreicht.
Derweil steckt das Gesundheitssystem im Reformstau. Die gesundheitspolitische Strategie «Gesundheit2030» des Bundesrats zeigt wenig Wirkung. Widersprüchliche Ziele und Interessen der verschiedenen Stakeholder sowie fehlende Motivation derjenigen, die mit Status quo gut fahren, blockieren den Fortschritt. Die Digitalisierung der Medizin wird föderal sowie durch Lobbyisten gebremst. Grosse Effizienz- und Effektivitätsverbesserungen konnten bislang nicht erzielt werden. Medizinische Überversorgung und Versorgungsengpässe, Ressourcen-Fehlallokation und Wettbewerbsverzerrungen sind Fact.
Albert Einstein bringt es auf den Punkt: «Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.» Das Gesundheitswesen benötigt einen tiefgreifenden Kulturwandel, radikale Reformen und eine nachhaltige Systemoptimierung. Systeme, Organisation und Prozesse im Gesundheitswesen müssen mit einer visionären Kultur transformiert werden. Ein gravierender Wandel ist auf Ebene Politik, Leistungsanbieter, Mitarbeitende und Patienten nötig.
Mit den nachfolgenden 18 Ideen möchte ich den Kultur- und Systemwandel im schweizerischen Gesundheitssystems befeuern.
Orientierte Patienten, Patientenverantwortung
1. Sensibilisierung der Einwohner/Patienten betreffend Rolle und Verantwortung für ihre Gesundheit und als Bezüger von Versorgungsleistungen
2. Intensivierung Patienteninformation und -schulung; Diskurs betreffend Erwartungen und Ansprüche, salutogenetische Bildungsoffensive
3. Patientenverfügung und Versorgungsauftrag als Obligatorium
Ethik, Qualität
4. Einführung ethischer Verhaltenskodex für alle Mitarbeitenden im Gesundheitswesen
5. Patientenwohl steht vor Eigeninteressen; Gewährleistung Qualität und Patientensicherheit hat höchste Priorität
6. National einheitliche Qualitäts-Vorgaben für die Versorger (zum Beispiel Mindestfallzahlen); Harmonisierung von Qualitätsmessungen, -benchmarking und -sicherungsmassnahmen
Führungs- und Organisationskultur
7. Mutige Führungskultur, mit der visionäre patientenorientierte Lösungen implementiert und das Versorgungsangebot auf das Finanzierbare fokussiert werden
8. Radikale Verschlankung der Prozesse im Gesundheitswesen: Fachkräfte werden prioritär da eingesetzt, wo am meisten Mehrwert für die Patientenversorgung generiert wird
9. Optimierung Skill-Grade-Mix betreffend Einsatz aller Berufsgruppen im Gesundheitswesen
Bürokratieabbau, Digitalisierung
10. Entwicklung einer unbürokratischen Kultur; Konsequenter Abbau bürokratischer Vorgaben seitens aller Stakeholder; Entlastung der Fachkräfte von bürokratischen Arbeiten
11. Beschleunigung der Digitalisierung im schweizerischen Gesundheitswesens; eHealth-System nach dänischem Modell
12. Schweizweite Standardisierung der medizinischen Datenerfassung und -übermittlung sowie Gewährleistung umfassende Interoperabilität von ICT-Diensten und -Anwendungen
Konsistentes Anreiz-, Steuerungs-, Finanzierungs- und Subventionierungssystem
13. National einheitliches, einfaches und transparentes Anreiz-, Steuerungs- und Finanzierungssystem
14. National einheitliches System betr. Subvention gemeinnütziger Leistungen; kein Einsatz von finanziellen Mitteln aus dem NFA im Gesundheitswesen
15. National gleiches Prämiensystem für die obligatorische Krankenversicherung; Abschaffung der kantonalen und regionalen Unterschiede
Nationale Spitalplanung, integrierte Versorgung
16. Eine nationale Spitalliste statt kantonale Spitallisten; Straffe Koordination der kantonalen Spital- und Angebotsplanungen
17. Schweizweit einheitliche Vorgaben zur Koordination der Leistungsketten im Gesundheits-wesen; Beseitigung kultureller, finanzieller und administrativer Hindernisse in den Schnittstellen
18. Finanzielle Belohnung integrierter Versorger-Netzwerke (ambulant – stationär; horizontal - vertikal)
Alphons Schnyder ist unter anderem Spitalratspräsident Spitäler Schaffhausen und VR-Präsident der Privatklinik Hohenegg in Meilen.