Als ich vor gut 20 Jahren vor einem Ausschuss des Solothurner Kantonsparlaments die einheitliche Finanzierung von stationären und ambulanten Leistungen (heute EFAS, früher Monismus) vorstellte, hätte ich nicht zu träumen gewagt, dass ich im Jahr 2023 einen aktuellen Beitrag über die gleiche Reform schreiben würde. Gut, der Name hat sich geändert und die Formate der Präsentationen auch. Aber den Inhalt der Folien könnte ich immer noch benützen.
«All den Vorstössen klebt der Makel, dass in einem Bundesparlament die Interessen der Kantone häufig separat abgeholt werden müssen.»
Die
Motion Humbel von 2009 ist legendär genauso wie ihre
Parlamentarische Initiative (Pa.Iv.) vom gleichen Jahr. Weniger bekannt dürfte die
Motion der SP-Fraktion sein, welche ebenfalls den Monismus beantragt hat. Kein Wunder war die Hürde im Parlament für EFAS das kleinste Problem. All diesen Vorstössen klebt jedoch der Makel, dass in einem Bundesparlament die Interessen der Kantone häufig separat abgeholt werden müssen. Diese jedoch haben lange Zeit EFAS nicht akzeptiert. Deshalb blieben die Geschäfte auf der langen Bank. Erst kürzlich zeigten die Kantone Kompromissbereitschaft. Sie verlangen zusätzliche Steuerungsmöglichkeiten und wollen die Pflegefinanzierung ebenfalls gemäss EFAS finanzieren.
«Krankenversicherer haben den Fehlanreiz, die teurere stationäre Lösung zu bevorzugen.»
Die heutige Lösung kennt unterschiedliche Verteilschlüssel für stationäre und ambulante Leistungen: Erstere sind in der Regel deutlich teurer, werden aber zu 55 Prozent von den Kantonen übernommen und nur zu 45 Prozent durch die Krankenkassen. Ambulante Behandlungen müssen hingegen zu 100 Prozent durch die Kassen beziehungsweise die Prämienzahler finanziert werden. So entsteht bei den Krankenversicherern ein Fehlanreiz, die teurere stationäre Lösung zu bevorzugen. Zudem verstärkt sich dadurch der Kostendruck auf die Prämien. Generell sollten Leistungen gleich finanziert werden, damit es keine vergütungsgetriebene Verzerrung der Behandlungswahl gibt.
«Bis heute sind alle Anläufe, Efas einzuführen, am Widerstand der Kantone gescheitert.»
Bis heute sind alle Anläufe, Efas einzuführen, am Widerstand der Kantone gescheitert. Diese besetzen als Regulator, Spitaleigner und Leistungsfinanzierer mehrere Rollen im System und fürchten nun um ihren starken Einfluss auf den stationären Bereich. Anfang August hat die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) die Reform zwar gutgeheissen – aber nur, wenn die Pflegekosten ebenfalls in Efas integriert werden. Andernfalls droht sie mit einem Referendum.
Die GDK stützt sich auf eine Studie des Büros Infras, welche die Kostenentwicklung bis 2030 modelliert. Diese kommt zum Schluss, dass sich das Kostenwachstum nur dann gleichmässig auf die beiden Finanzierer verteilt, wenn die Pflegeleistungen in EFAS mitberücksichtigt werden.
«Die Forderung der GDK ist sachlich nicht falsch. Doch sie überlädt die überfällige Reform und droht sie damit zum Absturz zu bringen.»
Die Forderung der GDK ist sachlich nicht falsch. Doch sie überlädt diese überfällige Reform und droht sie damit zum Absturz zu bringen. Die Kantone könnten statt dem Einbezug der Pflege, einen dynamischen Finanzierungsschlüssel fordern, damit ihr Finanzierungsanteil nicht überproportional wächst. Dies könnte leichter umgesetzt werden.
Neben den Kantonen gibt es weitere kritische Stimmen. Diese kritisieren die zusätzlichen Steuerungsmöglichkeiten der Kantone. Grob gesagt gibt es drei Argumente:
- Mit EFAS werden die Kantone als zusätzlicher Verhandlungspartner am Tisch sitzen. Das verkompliziert die Verhandlungen und macht eine Einigung schwieriger.
- Mit EFAS werden die Kantone im ambulanten Bereich zusätzlich steuernd Einfluss nehmen. Das erhöht die Bürokratie und verschlechtert die Versorgung.
- Mit EFAS wird ein Problem gelöst, das auch tarifarisch lösbar wäre, aber ohne die obigen Nebenwirkungen.
Diese Einwände sind ernst zu nehmen, vor allem die ersten beiden. Der Dritte überzeugt weniger. Erstens gilt EFAS als Kernelement des regulierten Wettbewerbs, nach dem das KVG geschaffen wurde. EFAS macht die Regulierung konsistenter und effizienter. Zudem schliesst das eine das andere nicht aus: Tarifarisch kann man auch mit EFAS noch feinjustieren.
«Die Kantone sollten ehrlich sein und zusätzliche Steuerungsmöglichkeiten nicht überschätzen.»
Bezüglich Regulierungskosten darf der Preis für EFAS nicht zu hoch sein. Die Hoheit der Kantone über ihre eigenen Finanzen ist unbestritten. Doch bereits heute ist diese im KVG stark beschränkt. Die Streichung oder Kürzung von Spitalbeiträgen wäre zwar möglich, wurde aber aus gutem Grund nie gemacht. Die Kantone müssen deshalb ehrlich sein und dürfen zusätzliche Steuerungsmöglichkeiten nicht überschätzen. Neben dem unbestrittenen, psychologischen Effekt für die Kantone, bleiben am Ende oft nur höhere administrative Kosten und Ausweichmanöver der Stakeholder. Es wäre schade, wenn in weiteren 20 Jahren EFAS immer noch auf der langen Bank liegen würde - oder noch schlimmer – eine umgesetzte Efas wegen den zusätzlichen Steuerungselementen das System insgesamt verschlechtern würde. Wir setzen uns deshalb für eine EFAS ein, die den Kantonen finanzielle Rechtssicherheit gibt, aber keine neuen Steuerungsmöglichkeiten.
Fridolin Marty ist Leiter Gesundheitspolitik bei Economiesuisse.