«Wir bekommen gar keinen Teuerungsausgleich; nichts», schrieb eine Angestellte des Spitals Männedorf der Medinside-Redaktion. Und weiter: «Ab Sommer sind uns individuelle Lohnanpassungen versprochen worden. Aber weiss ich, ob ich da berücksichtigt werde?»
Die Pflegefachfrau ist nicht die einzige, die ein solches Vorgehen ungerecht findet.
Unser Artikel über Lohnerhöhungen fürs Spitalpersonal hat etliche Reaktionen ausgelöst.
Augenwischerei bei Löhnen
Medinside hat gezeigt, dass es oft eine Augenwischerei ist, wenn Spitäler behaupten, die Löhne zu erhöhen - aber effektiv nicht einmal die Teuerung ausgleichen.
Man kann es einen Streit um Worte nennen – aber er ist wichtig: Die Teuerung betrug letztes Jahr in der Schweiz 2,8 Prozent. Das bedeutet: Wer weniger als 2,8 Prozent mehr Lohn erhält, hat dieses Jahr effektiv einen geringeren Lohn als im Vorjahr.
Erst Mitte Jahr eine Lohnrunde
So wie auch die Mitarbeiterin des Spital Männedorfs, die sich bei Medinside gemeldet hat. Spital-Sprecher Marco Stücheli beteuerte zwar auf Nachfrage: «Es gibt einen Teuerungsausgleich.» Doch er relativiert gleichzeitig: «Dieser erfolgt nicht nach Giesskannenprinzip.» Man wolle nicht alle Löhne in gleichem Umfang anheben. Im Klartext: Es gibt keinen Teuerungsausgleich.
Erst Mitte Jahr wird es in Männedorf eine Lohnrunde geben – allerdings keinen Teuerungsausgleich, mit dem alle rechnen dürfen, sondern nur «individuellen Lohnanpassungen».
Abgestufte Teuerungszulage
Bei Löhnen bis 71'500 Franken werden drei Prozent verteilt, was übers Ganze gesehen tatsächlich einem Ausgleich der Teuerung entspricht, mit dem allerdings nicht alle Angestellten rechnen dürfen, da es ja individuelle Anpassungen sind. Bei den höheren Löhnen zahlt das Spital weniger als die Teuerung: Nämlich bis 104'000 Franken 2,5 Prozent mehr und bis 169'000 Franken 1.25 Prozent mehr.» Mit diesem abgestuften System erhalten die tieferen Einkommensgruppen, welche mehr unter der Teuerung leiden, einen grösseren Anteil der zur Verfügung stehenden Summe», begründet Marco Stücheli.
Männedorf machte vorletztes Jahr Gewinn
Warum das Geld nicht einmal für einen generellen Teuerungsausgleich reicht, ist unklar. Das Spital Männedorf hat vorletztes Jahr immerhin
einen Gewinn von 1,2 Millionen Franken gemacht. Hinsichtlich Patientenanzahl und Geburten wurden sogar Rekordzahlen erreicht. Die Zahlen von 2022 sind noch nicht veröffentlicht. Aber selbst ein Defizit sollte nicht Anlass dazu sein, auf Kosten des Personals zu sparen.
Dass es auch anders geht, zeigen andere Spitäler: Zum Beispiel erhöht das Kantonsspital Glarus
die Löhne um 7,7 Prozent. Bei der Pflege beträgt die Erhöhung sogar 14 Prozent. Wegen dieser grosszügigen Lohnerhöhungen nimmt das Spital für die nächsten zwei Jahre sogar ausdrücklich Defizite in Kauf.
Glarus denkt langfristig
Ohne diese Massnahmen wäre der prognostizierte Schaden «noch weit grösser», schrieb das Spital in einer Mitteilung. Verwaltungsratspräsident Arnold Bachmann sagte warum: «Wir müssen unbedingt rasch und systematisch die Arbeitsbedingungen für unsere Mitarbeitenden verbessern und dem Fachkräftemangel aktiv entgegenwirken. Dies betrifft namentlich die Pflege, wo wir dringend die Wettbewerbsfähigkeit im Arbeitsmarkt wieder herstellen müssen.»