«Pflegearbeit gehört nicht in die Hände von Robotern»

Keine Pflege-Roboter, dafür höhere Löhne für Pflegefachleute: Das fordert der britische Wirtschaftswissenschaftler Adair Turner.

, 23. Januar 2019 um 13:09
image
  • roboter
  • pflegefinanzierung
  • trends
Roboter werden künftig noch mehr Tätigkeiten ersetzen als heute und damit auch immer mehr Berufe überflüssig machen. In fünfzig bis sechzig Jahren würden wegen immer besserer Computer-Programme die meisten Stellen obsolet, prophezeit Adair Turner, britischer Ökonom und Leiter des «Institute for New Economic Thinking». Er tritt derzeit in der Schweiz am World Economic Forum (WEF) in Davos und am Gottlieb-Duttweiler-Institut auf.

Pflege-Roboter sind wirtschftlich nicht sinnvoll

Er warnt jedoch davor, in gewissen Bereichen Roboter einzusetzen. Er findet es zum Beispiel völlig falsch, immer mehr Roboter in der Pflege einzusetzen. Roboter, die in japanischen Altersheimen Pensionäre betreuen, würden das Personal nicht nur entlasten, sondern dereinst auch ersetzen, befürchtet er.
Bereits jetzt können Roboter Taxi fahren, Autos montieren und Getreide ernten. «Deshalb ist es wahrscheinlich, dass mehr Menschen in Berufe drängen, die sich der Automatisation entziehen», sagte er in einem Interview mit dem «Bund». Solche Tätigkeiten, die sich nicht weitgehend mit Robotern erledigen lassen, üben zum Beispiel Juristen, Informatiker, Politiker aus.
Turners Zukunftsaussichten sind jedoch düster: Für diese gut bezahlten Berufsleute gibt es nicht unbeschränkt Stellen. Vielmehr werde das Stellen-Angebot von Niedriglohn-Dienstleistungen dominiert sein. Das heisst, der grösste Teil der Stellen werden schlecht bezahlte Tätigkeiten sein, die nicht oder schlecht automatisiert werden können.

Mindestlöhne für wichtige menschliche Arbeit

Deshalb findet er es nötig, dass es künftig Mindestlöhne für nicht automatisierte Arbeit gibt. Statt eines bedingungslosen Grundeinkommens propagiert er, sinnvolle menschliche Arbeit konsequent zu fördern und entsprechend gut zu bezahlen.
Solche sinnvolle menschliche Arbeit ist für ihn unter anderem die Pflege: «Tätigkeiten im Pflegebereich sollen nicht an Maschinen delegiert werden», findet er. Stattdessen fordert er viel höhere Löhne für die Pflegefachleute als heute. Nur so könnten mehr Leute dazu motiviert werden, diese Arbeit zu leisten.
Dass es dringend mehr Pflegefachleute braucht, begründet Adair Turner mit handfesten Wirtschafts-Argumenten: Wenn ein Unternehmen produktiver wird, weil es mehr Arbeiten automatisiert, steigen dort die Löhne.

Je höher die Löhne, desto mehr Ausgaben für Pflege

Doch je höher die Einkommen, desto mehr Geld wird ausgegeben für Dienstleistungen wie Haushaltshilfen, Pflege oder Verkauf. Und diese Dienstleistungen sind derzeit schlecht bezahlt. Da sich diese Tätigkeiten andererseits nur schlecht automatisieren lassen, müssten diese Berufe dringend aufgewertet werden.
Artikel teilen

Loading

Comment

Mehr zum Thema

image

Palliative Care: Zeigen, was ist

Die Stiftung Palliaviva macht in einem Foto-Projekt die Realität von Palliative Care sichtbar – damit die Öffentlichkeit besser für die Betreuungsarbeit sensibilisiert wird.

image

Genolier Innovation Hub: Wo sich medizinische Visionen und klinische Praxis treffen

Der Genolier Innovation Hub wird an diesem Wochenende eröffnet. Der Campus am Genfersee soll weltweit bekannt werden – wegen Firmen, die hier an den Grenzen der Medizin forschen.

image

«Wir sind einzigartig – weil wir eine Lücke füllen»

Die Schweiz hat ein neues Zentrum für Medizinforschung: den Genolier Innovation Hub mit Anna Gräbner als CEO. Hier erklärt sie, wie Spitzen-Medtech und klinische Arbeit am Genfersee aufeinandertreffen.

image

Datenanalyse: Antibiotikaresistenz wird zum Altersproblem

Der Anteil der Todesfälle wegen Resistenzen sank in den letzten Jahren. Aber die gesellschaftliche Alterung dürfte das Problem nun verschärfen.

image

Krebsforschung ist besorgt, weil Spenden zurückgehen

Bisher hatte die Krebsforschung in der Schweiz genug Spendengeld für Forschungsprojekte. Letztes Jahr musste sie aber zu viele zurückweisen.

image

In der Schweiz leben die Menschen länger – aber kränker

Bei der Lebenserwartung schneidet die Schweiz gut ab. Aber: Besonders Schweizer Frauen erleben die Zusatzjahre bei schlechter Gesundheit.

Vom gleichen Autor

image

Temporär-Arbeit in der Pflege: Ein Angebot mit Haken

Es gibt gute Gründe für Pflegefachleute, sich nur noch temporär anstellen zu lassen. Aber es gibt auch ein paar gute Argumente dagegen.

image

Medikamente: Diese fünf Irrtümer müssen alle kennen

Epinephrin statt Ephedrin? Solche Verwechslungen können tödliche Folgen haben. Gut zu wissen, wo die grössten Gefahren lauern.

image

SVAR: Neu kann der Rettungsdienst innert zwei Minuten ausrücken

Vom neuen Standort in Hundwil ist das Appenzeller Rettungsteam fünf Prozent schneller vor Ort als früher von Herisau.