«Gesetzliche Anerkennung der Verantwortung der Pflege»: So lautet der Titel einer parlamentarischen Initiative, welche mehr Kompetenzen für die Pflegefachpersonen will. Diese sollen bestimmte Arbeiten der Grundpflege selbständig erbringen können, ohne ärztliche Anordnung – und vor allem sollen sie jene Arbeiten direkt zulasten der obligatorischen Krankenversicherung abrechnen dürfen.
Das Vorhaben liegt im allgemeinen Trend, wonach Politik und Gesellschaft verstärkt bereit sind, bestimmte Kompetenzen von den Ärzten auf andere Berufe zu verlagern und diese damit aufzuwerten.
Verständnis versus Fehlanreize
Im Januar hatte die zuständige Nationalrats-Kommission denn auch beschlossen, dass Pflegeheime, Spitex-Organisationen und selbstständige Pflegefachpersonen diverse Leistungen den Krankenkassen verrechnen können sollen, ohne dass noch ein Arzt alles anordnen muss – mit 14 zu 4 Stimmen. Auch die Ständerats-Kommission war dafür.
Nicht so die Landesregierung. Man habe zwar «Verständnis für das Anliegen der Initiative, den Status der Pflegefachpersonen aufzuwerten»,
so die heutige Mitteilung aus Bern. Denn damit würden Fehlanreize gesetzt, die zu höheren Krankenkassen-Kosten führen könnten.
Und was, wenn da jeder käme?
Ähnlich wie bei den Ärzten – so die Sorge – könnte also auch hier eine Ausweitung bei den Leistungserbringern zu einer Mengenausweitung führen. Konkret nennt der Bundesrat die ambulante Krankenpflege, wo die Pflegeleistungen nach Arbeitsstunden abgerechnet werden, womit gewiss ein finanzieller Anreiz bestehe, möglichst viele Leistungen zu erbringen.
Als weiteres Argument nennt der Bundesrat eine Präjudizwirkung: Denn später könnten andere medizinisch-therapeutische Fachpersonen dieselben Bedingungen fordern, etwa in der der Ergotherapie und Physiotherapie. Was erneut zu höheren Kosten führen würde. «Deshalb soll keine weitere Berufsgruppe direkt zulasten der OKP Leistungen erbringen, solange keine Lösungen für eine bessere Koordination und eine langfristige Steuerung im Gesundheitswesen vorliegen», schliesst der Bundesrat.
«Kurzfristige Optik»
Logischerweise enttäuscht zeigen sich die Pflege-Fachleute – geht es letztlich doch auch um ein Signal und um eine Wahrnehmung, in der der Pflegeberuf kein «Hilfsberuf» mehr sein soll.
Von einer «kurzfristigen Optik» spricht denn auch Helena Zaugg, die Präsidentin des
Pflege-Berufsverbands SBK: «Der Bundesrat verpasst nicht nur die Chance für eine nachhaltige Steigerung der Attraktivität unseres Berufs. Sondern er verhindert so auch eine echte interprofessionelle Zusammenarbeit und Koordination der Leistungen, die nur gelingen kann, wenn sich die Fachpersonen auf Augenhöhe befinden – zwei Aspekte, die angesichts der demografischen Entwicklung mit mehr älteren, chronisch- und mehrfacherkrankten Menschen zentral sind für eine sichere Gesundheitsversorgung.»
«Nun droht ein Scherbenhaufen»
Eingereicht worden war die Initiative vom – inzwischen zurückgetretenen –
SVP-Nationalrat Rudolf Joder im Jahr 2011. Im Januar hatte dabei die Nationalrats-Kommission schon eine Hürde eingebaut, indem sie ihre Zustimmung mit flankierenden Massnahmen versah: Erstens sollte einer faktische Aufhebung des Kontrahierungszwangs für freiberufliche Pflegefachleute mit der Kompetenz-Erweiterung einher gehen. Und zweitens wollte die Kommission die neue Regelung auf sechs Jahre befristen.
Angesichts all der Widerstände, die sich nun auftun, wird sich der SBK mit Partnern treffen und die Möglichkeiten diskutieren: «Die parlamentarische Initiative beschäftigt uns und das Parlament seit fünf Jahren, und nun droht ein Scherbenhaufen», sagt Helena Zaugg. «Wir werden alle Optionen prüfen, die uns politisch zur Verfügung stehen.»