Bundesrat gegen mehr Kompetenzen für Pflege-Profis

Leistungen auch ohne ärztliche Anordnung mit den Kassen abrechnen: So wollten es Politiker von National- und Ständerat. Der Bundesrat tritt nun auf die Bremse. Für den Pflegeverband SBK droht ein Scherbenhaufen.

, 23. März 2016 um 13:45
image
  • pflege
  • politik
  • pflegeinitiative
«Gesetzliche Anerkennung der Verantwortung der Pflege»: So lautet der Titel einer parlamentarischen Initiative, welche mehr Kompetenzen für die Pflegefachpersonen will. Diese sollen bestimmte Arbeiten der Grundpflege selbständig erbringen können, ohne ärztliche Anordnung – und vor allem sollen sie jene Arbeiten direkt zulasten der obligatorischen Krankenversicherung abrechnen dürfen.
Das Vorhaben liegt im allgemeinen Trend, wonach Politik und Gesellschaft verstärkt bereit sind, bestimmte Kompetenzen von den Ärzten auf andere Berufe zu verlagern und diese damit aufzuwerten. 

Verständnis versus Fehlanreize

Im Januar hatte die zuständige Nationalrats-Kommission denn auch beschlossen, dass Pflegeheime, Spitex-Organisationen und selbstständige Pflegefachpersonen diverse Leistungen den Krankenkassen verrechnen können sollen, ohne dass noch ein Arzt alles anordnen muss – mit 14 zu 4 Stimmen. Auch die Ständerats-Kommission war dafür.
Nicht so die Landesregierung. Man habe zwar «Verständnis für das Anliegen der Initiative, den Status der Pflegefachpersonen aufzuwerten», so die heutige Mitteilung aus Bern. Denn damit würden Fehlanreize gesetzt, die zu höheren Krankenkassen-Kosten führen könnten. 

Und was, wenn da jeder käme?

Ähnlich wie bei den Ärzten – so die Sorge – könnte also auch hier eine Ausweitung bei den Leistungserbringern zu einer Mengenausweitung führen. Konkret nennt der Bundesrat die ambulante Krankenpflege, wo die Pflegeleistungen nach Arbeitsstunden abgerechnet werden, womit gewiss ein finanzieller Anreiz bestehe, möglichst viele Leistungen zu erbringen.
Als weiteres Argument nennt der Bundesrat eine Präjudizwirkung: Denn später könnten andere medizinisch-therapeutische Fachpersonen dieselben Bedingungen fordern, etwa in der der Ergotherapie und Physiotherapie. Was erneut zu höheren Kosten führen würde. «Deshalb soll keine weitere Berufsgruppe direkt zulasten der OKP Leistungen erbringen, solange keine Lösungen für eine bessere Koordination und eine langfristige Steuerung im Gesundheitswesen vorliegen», schliesst der Bundesrat.

«Kurzfristige Optik»

Logischerweise enttäuscht zeigen sich die Pflege-Fachleute – geht es letztlich doch auch um ein Signal und um eine Wahrnehmung, in der der Pflegeberuf kein «Hilfsberuf» mehr sein soll.
Von einer «kurzfristigen Optik» spricht denn auch Helena Zaugg, die Präsidentin des Pflege-Berufsverbands SBK: «Der Bundesrat verpasst nicht nur die Chance für eine nachhaltige Steigerung der Attraktivität unseres Berufs. Sondern er verhindert so auch eine echte interprofessionelle Zusammenarbeit und Koordination der Leistungen, die nur gelingen kann, wenn sich die Fachpersonen auf Augenhöhe befinden – zwei Aspekte, die angesichts der demografischen Entwicklung mit mehr älteren, chronisch- und mehrfacherkrankten Menschen zentral sind für eine sichere Gesundheitsversorgung.»

«Nun droht ein Scherbenhaufen»

Eingereicht worden war die Initiative vom – inzwischen zurückgetretenen – SVP-Nationalrat Rudolf Joder im Jahr 2011. Im Januar hatte dabei die Nationalrats-Kommission schon eine Hürde eingebaut, indem sie ihre Zustimmung mit flankierenden Massnahmen versah: Erstens sollte einer faktische Aufhebung des Kontrahierungszwangs für freiberufliche Pflegefachleute mit der Kompetenz-Erweiterung einher gehen. Und zweitens wollte die Kommission die neue Regelung auf sechs Jahre befristen. 
Angesichts all der Widerstände, die sich nun auftun, wird sich der SBK mit Partnern treffen und die Möglichkeiten diskutieren: «Die parlamentarische Initiative beschäftigt uns und das Parlament seit fünf Jahren, und nun droht ein Scherbenhaufen», sagt Helena Zaugg. «Wir werden alle Optionen prüfen, die uns politisch zur Verfügung stehen.» 
Artikel teilen

Loading

Comment

2 x pro Woche
Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Mehr zum Thema

image

Zurzach Care: Freude als Schlüssel zum Erfolg

Andreas Sindlgruber ist Teamleiter der Pflege in der ZURZACH Care Rehaklinik Limmattal in Schlieren. Sein Weg dorthin war alles andere als gewöhnlich.

image

Pflegende Angehörige: Diese Regeln gelten für die Spitex-Betriebe

Die Association Spitex privée Suisse hat einen «Code of Conduct» erarbeitet. Er soll auch als Grundlage für gesetzliche Regelungen dienen.

image

Spital Muri sucht neues Mitglied der Spitalleitung

Pflege-Chefin Beatrice Zeindler wird das Regionalspital im kommenden Frühjahr verlassen.

image

Bundesrat obsiegt gegen Tarifpartner - aber nur knapp

Die Laborkosten steigen und steigen. Das Problem ist nicht der Tarif. Es ist die Menge.

image

Nationalrat: «Tut etwas gegen den Ärztemangel»

Gegen den Willen des Bundesrats verlangt das Gremium nun entsprechende Gesetze.

image

Gemeinden stellen sich hinters Spital Zofingen

Sie sehen das Spital als unverzichtbar für die regionale Versorgung und bekräftigen ihre Unterstützung.

Vom gleichen Autor

image

Überarztung: Wer rückfordern will, braucht Beweise

Das Bundesgericht greift in die WZW-Ermittlungsverfahren ein: Ein Grundsatzurteil dürfte die gängigen Prozesse umkrempeln.

image

Kantone haben die Hausaufgaben gemacht - aber es fehlt an der Finanzierung

Palliative Care löst nicht alle Probleme im Gesundheitswesen: … Palliative Care kann jedoch ein Hebel sein.

image

Brust-Zentrum Zürich geht an belgische Investment-Holding

Kennen Sie Affidea? Der Healthcare-Konzern expandiert rasant. Jetzt auch in der Deutschschweiz. Mit 320 Zentren in 15 Ländern beschäftigt er über 7000 Ärzte.