Von Zürich bis Berlin werden derzeit Jungunternehmen ausgezeichnet, die aus der medizinischen Forschung hervorgegangen sind. Vor wenigen Tagen feierte der von der
ETH Zürich, der
Knecht Holding und
McKinsey ausgerichtete Venture-Wettbewerb für Jungunternehmen seine zehnte Austragung - mit zwei Preisträgern aus der Medizintechnik. Siegerin der Kategorie Businessplan ist das Start-up Cutiss, das aus einem Forschungsprojekt des Kinderspitals Zürich stammt.
Sein Ziel: Die Herstellung von Hauttransplantaten, die aus einem kleinen Stück Haut der Patienten gezüchtet werden. Das Team um die Biologin Daniela Marino und Professor Ernst Reichmann hat eine Technologie entwickelt, die Proben menschlicher Haut um ein Vielfaches wachsen lassen soll. Profitieren sollen Verbrennungsopfer und Patienten mit andern schweren Hautdefekten wie angeborenen grossflächigen Muttermalen.
Klinische Studien laufen
Die Arbeit dahinter dauert bereits 14 Jahre. Nun – nach Coachings, Treffen mit potenziellen Investoren sowie möglichen Partnern in der Industrie und dem Sieger-Check in Höhe von 60'000 Franken in der Tasche – könnte das Vorhaben in die entscheidende Phase treten. Die Gründer wollen aus dem Forschungsprojekt ein erfolgreiches Unternehmen machen. Die gezüchtete Haut ist noch nicht marktreif, klinischen Studien laufen seit einem Jahr. Bereits wurden acht Kinder im Kinderspital Zürich mit dieser Methode operiert, mit viel versprechenden Resultaten.
«Das war gerade der richtige Moment, um auch ans Geschäftliche zu denken», sagt Daniela Marino. Der Bedarf an Hauttransplantationen ist gross, und auf dem Markt ist bisher kein vergleichbarer Hautersatz erhältlich.
Ein weiteres Unternehmen aus der Medizintechnik wurde am Start-up-Wettbewerb ausgezeichnet. Die beste Business-Idee lieferte
Pregnostics, eine Forschergruppe an der ETH Zürich um Sabrina Badir. Ihr Projekt: ein Diagnose-Tool, das das Risiko von Frühgeburten besser abzuschätzen weiss als heutige Methoden.
Chips als Organe
Am 1. Juli 2015 blicken die Trendforscher nach Berlin, wo zum zweiten Mal die besten «Innovatoren unter 35» ausgezeichnet werden. Der Veranstalter
Technology Review lädt dazu ein, die innovativsten Köpfe des Landes zu treffen. Zu den Gewinnern gehört auch der Physiker Peter Loskill, der sich auf Kunstorgane fokussiert. Konkret entwickelt er Chips, die alle nötigen Zelltypen der wichtigsten menschlichen Organe enthalten, die aus umprogrammierten Körperzellen gewonnen werden. Die kleinen Geräte würden einen entscheidenden Schritt zu schnelleren und präziseren Medikamententests und weniger Tierversuchen bedeuten, heisst es. Peter Loskill promovierte an der Universität des Saarlandes und forscht nun an der University of California in Berkeley.
Zwar sind Loskill und seine Mitstreiter nicht die einzigen, die an Kunstorganen arbeiten. Das
Wyss Institute der Harvard University, benannt nach dem Schweizer Unternehmer Hansjörg Wyss, forscht ebenfalls an künstlichen Organen, aber Loskills Modelle sind mit ihrer Grösse von einem Quadratmillimeter viel kleiner und eignen sich daher besser für Massenuntersuchungen. Der 30jährige hat bereits ein Herz hergestellt und arbeitet derzeit an einem Chip für Fettgewebe. Zudem will er die verschiedenen Labororgane zu einer Ar Laborkörper verbinden. Damit liessen sich Nebenwirkungen viel besser erfassen als in einfachen Zellkulturen.
Immunzellen aus Spenderblut
Ein weiterer Preisträgern des Nachwuchswettbewerbs ist Christian Stemberger. Der Molekularbiologe forscht in der Göttinger Biotech-Schmiede
Stage Cell Therapeutics, einer Ausgründung der Technischen Universität München. Er fischt gezielt Immunzellen aus Spenderblut, so genannte T-Zellen, ein wichtiger Bestandteil des Abwehrsystems. Sie sollen Patienten verabreicht werden, die etwa nach einer Krebstherapie immungeschwächt sind. Bei Krebspatienten dauert es bis zu einem Jahr, ehe die körpereigenen Abwehrkräfte wieder voll aufgebaut sind. In dieser Zeit können sogar simple Viren lebensgefährlich sein. Mit einer «schnellen Eingreiftruppe», so Stemberger, lassen sich solche Erkrankungen verhindern. Die Schwierigkeit: Wegen der Abstossungsreaktion sollten die Zellen des Spenders genetisch möglichst gut zum Empfänger passen. Zudem sind für jeden Erregertyp spezielle T-Zellen nötig. Stemberger hat nun eine Methode entwickelt, im Spenderblut genau die passenden zu finden. Er arbeitet nun daran, die Methode auf den Markt zu bringen.
Der Wettbewerb wurde 1999 von der US-Ausgabe der MIT Technology Review gegründet. Zu den bisherigen Preisträgern gehören Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sowie Google-Gründer Sergej Brin.