Herr Ritz, aus den Spitälern werden viele Arbeiten ausgelagert, teils sogar ins Ausland: Dies prognostizieren Sie in der neuen Studie «Spitalbauten und ihre Zukunft». Wessen Arbeit verschwindet da aus den Spitälern?
Es ist ja in allen Branchen so, dass man die repetitiven Tätigkeiten stärker durch Technologie bewältigen will. Damit gewinnt man auch mehr Zeit für die Arbeiten im zwischenmenschlichen Bereich. Wir sehen es ja jetzt schon: In den Spitälern werden beispielsweise Abläufe in der Hotellerie, in der Reinigung, in der Ablaufsgestaltung optimiert. Im rein medizinischen Teil rechnen wir aber mit geringeren Verlagerungen. Doch auch hier gibt es Beispiele. Nehmen Sie nur die Radiologie: Zur Auswertung der Bilder wird man sich immer stärker auf Computer verlassen können.
Kurt Ritz
Kurt Ritz ist seit 2004 Partner und Head Advisory Deals bei PwC Schweiz. Davor arbeitete er in der Beratung von PwC, insbesondere im Immobilienbereich. Ursprünglich hatte er Architektur in Luzern und Wirtschaftswissenschaften in Bern studiert. — Soeben veröffentlichte Kurt Ritz das Thesenpapier «Spitalbauten und ihre Zukunft» (PwC, Dezember 2016, zusammen mit Christian Elsener, Beat Gafner, Jost Kutter).
In den USA gibt es bereits Telemedizin-Zentren, die für kleine Spitäler im Umkreis von hunderten Kilometern Spezialärzte und andere Experten greifbar machen – via Bildschirm, rund um die Uhr. Muss man sich das etwa so vorstellen? Ob solch ein Modell auf die kleineren Verhältnisse in der Schweiz passen wird, muss sich noch zeigen. Bei uns ist das erste Kernthema, wann man stationär und wann man ambulant therapiert. Hier sind wir in der Schweiz weniger weit als in vielen anderen Ländern, und darum liegen hier die drängendsten Aufgaben.
Aber auch das bedeutet doch: Die klassischen Akutspitäler werden kleiner – und es wird weniger davon geben.
In diese Richtung weisen beide Tendenzen: Erstens der Wechsel von stationär zu ambulant, zweitens die technologische Entwicklung. Und es entspricht ja dem politischen Ziel, dass das Gesundheitswesen günstiger werden sollte.
Ihre Studie sagt aber auch voraus, dass sich in den Spitälern ein «Shop in shop»-Prinzip durchsetzen dürfte: Andere Dienstleistungen halten Einzug. Denken Sie da an einen Fall wie die öffentliche Apotheke, die jetzt gerade im Kantonsspital Aarau eingerichtet wurde?
Das kann ein Beispiel sein, aber der Trend geht noch weiter. Schauen Sie einmal auf heutige Einkaufszentren: Die haben über 90 Prozent Verkaufsfläche. Die Tendenz geht dahin, dass weniger als 50 Prozent Verkaufsfläche sein werden.
Und der Rest?
Dort werden Sie Gastronomie-Angebote finden, ferner Entertainment und Services – verschiedenste Dienstleistungen.
Also eben auch ein Ambulatorium.
Genau. In den USA gibt es ja das bereits häufig: Augenlasern wird in der Shopping Mall angeboten.
In der Schweiz gibt es ja sogar ein Gross-Beispiel in dieser Richtung: «The Circle», das 10’000-Quadratmeter-Ambulatorium, welches das Universitätsspital Zürich im neuen Shopping-Center am Flughafen einrichten will.
Das ist natürlich auch ein Beispiel. Aber damit stellt sich die Frage auf der anderen Seite: Wenn immer mehr ambulant und immer weniger stationär behandelt wird, dann muss neu ausgelotet werden, welche Services mit dem stationären Spitalbesuch verbunden werden können.
Das sagen Experten voraus, dass wir in Spitälern auch Fitnessclubs, Meeting-Räume oder Shopping-Angebote finden werden. Das wirkt noch ziemlich gewöhnungsbedürftig.
Gegenfrage: Sagt man dieser Institution dann überhaupt noch Spital? Wir werden Komplexe haben, in denen verschiedenste Dienstleistungen zusammenkommen. Auch hierzu bietet «The Circle» ein Beispiel: Das Ambulatorium des USZ wird im gesamten Komplex eine enorme Rolle spielen, aber wir werden es niemals einfach als Gesundheits-Zentrum wahrnehmen.
Inklusive Hotel und Shops – und mit fast nur Einzelzimmern: Das «New Royal Adelaide Hospital», derzeit im Bau.
Weiter erwarten Sie, dass zugleich spezialisierte Spital-Immobiliengesellschaften entstehen: Spitäler sind dann nicht mehr eine Einheit aus Haus und Medizin-Angebot. Sondern es gibt Leistungserbringer – und es gibt andererseits Spitalbau-Betreiber.
Wieso soll das im Gesundheitswesen anders sein als in den meisten Branchen? Es gibt heute bereits riesige Immobiliengesellschaften, die ausschliesslich Hotels errichten. Oder ausschliesslich Industrieparks.
Klingt logisch, aber wir sind in der Schweiz. Hier gibt es eingewachsene Strukturen. Die Krankenhäuser sind oft öffentlich, und wenn ein Politiker auf die Idee kommt, ein Spital und einen Spitalbau zu trennen und das Ganze in eine AG zu wandeln, dann ist der Teufel los.
Es ist nicht eine Frage von heute und morgen. Wir sehen, dass wir uns diese Strukturen offenbar noch leisten können, und solange das so ist, behalten wir sie auch. Aber was wird sein, wenn wir es uns nicht mehr leisten können und wollen?
Sie machen uns also Hoffnung: Wenn die Gesundheitskosten dereinst wirklich nicht mehr tragbar sind, dann sehen Sie noch viele Chancen zur Effizienzsteigerung. Etwa im Immobilienmanagement, durch Auslagerungen oder durch mehr ambulante Behandlungen.
Genau. Die Schweiz hat eine unglaublich dichte Versorgung, da kann noch viel geschehen – und es muss noch einiges geschehen. Wir reden hier von einem Horizont von vielen Jahren.
«Eine normale Spitalleitung kann nicht mehr 'einfach so' auf dem Laufenden bleiben über digitale Entwicklungen»
In Ihrer Studie machen sie noch eine prägnante Empfehlung: Jedes Spital solle eigentlich einen «Chief Digital Officer» haben. Das leuchtet ein. Man fragt sich eher: Warum gibt es das noch nicht längst?
Die Frage stellt sich in vielen anderen Branchen ebenfalls, sogar in fast allen Firmen. Fast überall werden die Digitalisierungs-Aufgaben irgendwie auf einige Personen in der Geschäftsleitung verteilt, oder man engagiert Berater dafür. Aber gerade weil die Entwicklung hier so dynamisch geworden ist, kann man sich der Digitalisierung kaum noch nebenher widmen. Bald schon wird eine normale Spitalleitung nicht mehr das Potential haben, «einfach so» auf dem Laufenden zu bleiben über die Entwicklungen, über die medizinischen und technologischen Fortschritte.
Was muss dieser CDO denn konkret machen?
Er muss vor allem einmal sicherstellen, dass das Spital oder die Spitalgesellschaft keine technischen Möglichkeiten verpasst. Man muss auch hier in der Planung recht weit vorausdenken, zugleich ist die Technologie unglaublich investitions-intensiv, und auf der anderen Seite verändern sich die Umstände rasant.