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Schweizer Bevollmächtigte nach der neuen Medizinprodukteregulierung: Was ist zu beachten?

Nach dem 26. Mai 2021 müssen ausländische Hersteller einen Schweizer Bevollmächtigten ernennen, um Medizinprodukte auch auf dem Schweizer Markt anbieten zu dürfen. Dazu ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem ausländischen Hersteller und dem schweizerischen Dienstleister erforderlich.

, 23. April 2021 um 06:35
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Dank dem bilateralen Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen gilt für Medizinprodukte der freie Marktzugang. Dieses Abkommen ermöglicht die Koordination der Marktüberwachung, den Austausch sicherheitsrelevanter Informationen und die Anerkennung von Konformitätsbewertungen zwischen der Europäischen Union und der Schweiz.

Warum braucht es einen Bevollmächtigten?

Die Europäische Kommission hat den Fortbestand dieses Abkommens von Fortschritten beim institutionellen Rahmenabkommen abhängig gemacht. Sollte bis am 26. Mai 2021 kein Kompromiss gefunden werden, ist der gegenseitige Marktzugang nicht mehr gewährleistet. Als Folge sind Europäische Hersteller verpflichtet, einen Bevollmächtigten in der Schweiz zu benennen, der den Hersteller gegenüber den Schweizer Behörden vertritt. Der Bevollmächtigte ist für die Sicherheit der Medizinprodukte verantwortlich und haftet für Produktemängel gleich wie der Hersteller.
Sofern der Hersteller keinen Sitz in der Schweiz hat und die Verantwortung für das Inverkehrbringen seiner Produkte nicht über eine Tochtergesellschaft wahrnehmen kann, ist er von Gesetzes wegen verpflichtet, einen Bevollmächtigten mit Sitz in der Schweiz zu ernennen. Dieselbe Pflicht trifft umgekehrt auch Schweizer Hersteller, welche Medizinprodukte in der Europäischen Union in Verkehr bringen wollen: Sie haben einen Bevollmächtigten mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union zu benennen.
Die Regelung des schweizerischen Bevollmächtigten entspricht derjenigen des europäischen Bevollmächtigten. Die Benennung erfordert in beiden Fällen zwingend den Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung («Mandat»).

Welche Anforderungen muss der Bevollmächtigte erfüllen?

Der Bevollmächtigte tritt in die Verantwortung des Herstellers und ist Ansprechpartner der Schweizer Behörden. Der Bevollmächtigte kann als juristische oder als natürliche Person organisiert sein. Entscheidend ist, dass der Bevollmächtigte auf mindestens eine mit dem nötigen Fachwissen ausgestattete verantwortliche Person zugreifen kann, welche für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften besorgt ist. Sie wird auch als Person Responsible for Regulatory Compliance, kurz PRRC bezeichnet. Die Rolle der verantwortlichen Person ist vergleichbar mit der fachtechnisch verantwortlichen Person, wie sie im Arzneimittelrecht etabliert ist. Die verantwortliche Person nimmt eine zentrale Rolle bei der Überwachung und Kontrolle nach dem Inverkehrbringen der Medizinprodukte ein. Sie ist für die Einhaltung der dem Bevollmächtigten obliegenden Pflichten persönlich verantwortlich und kann für deren Verletzung strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Die Pflicht zur Bezeichnung einer verantwortlichen Person ist zwingend und kann vertraglich nicht wegbedungen werden. Der Bevollmächtigte kann die Funktion der verantwortlichen Person aber auf einen externen Dienstleister übertragen.

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Welche Haftung trifft den Bevollmächtigten?

Gemäss Produktehaftpflichtgesetz ist der Hersteller für Produktemängel verantwortlich. Das Heilmittelgesetz (HMG) weitet diese Haftung auf den Bevollmächtigten aus. Dieser haftet deshalb solidarisch mit dem Hersteller für allfällige Produktemängel. Die Haftung des Bevollmächtigten für Produktemängel ist gesetzlich zwingend und kann vertraglich nicht eingeschränkt oder wegbedungen werden. Im internen Verhältnis zwischen Hersteller und Bevollmächtigtem können aber vertragliche Freizeichnungsklauseln vereinbart werden. So kann sich der Hersteller verpflichten, den Bevollmächtigten von Ansprüchen Dritter schadlos zu halten, sofern der Bevollmächtigte nicht vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat.
Um haftungsrechtliche Ansprüche sicherzustellen, sind Hersteller und Bevollmächtigter verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung mit ausreichender Deckung abzuschliessen. Die Pflicht zur Deckung allfälliger Schadenersatzforderungen aufgrund von nicht-konformen Medizinprodukten will verhindern, dass berechtigte Ansprüche aus schädigenden Ereignissen mit Medizinprodukten ins Leere stossen. Auch diese Pflicht kann vertraglich nicht wegbedungen werden. Der Hersteller kann sich aber verpflichten, die Versicherungskosten für den Bevollmächtigten zu übernehmen.
Zum eigenen Schutz, aber auch entsprechend der Bedeutung seiner Funktion für den Schutz der Patientinnen und Patienten, muss der Bevollmächtigte vorgängig Klarheit über seine Aufgabe und die Eigenschaften der Produkte erlangen. Diese Pflicht muss der Bevollmächtigte vor der Übernahme seines Mandates bzw. Vertragsunterzeichnung wahrnehmen (Due Dilligence).

Klare Regelung der Verantwortung

Im Hinblick auf die zivil- und strafrechtliche Verantwortung des Bevollmächtigten ist es unerlässlich, die Aufgaben und Pflichten von Hersteller und Bevollmächtigtem klar zu regeln. Die Verantwortlichkeiten des Herstellers sind gesetzlich weitgehend vorgegeben. Der Hersteller steht im Zentrum der Produkteverantwortung. Er hat die Konformität seines Produktes nachzuweisen und zu dokumentieren, einschliesslich der korrekten Produkteklassifizierung. Ebenso liegt die Einführung und Pflege eines Qualitätsmanagementsystems in seiner Verantwortung.
Der Bevollmächtigte ist davon abhängig, dass der Hersteller die ihm obliegenden Pflichten erfüllt und die verlangten Dokumente auf dem aktuellen Stand der Technik gehalten werden. Die Verantwortung des Bevollmächtigten beschränkt sich auf das Überprüfen der vom Hersteller getroffenen Massnahmen im Hinblick auf die gesetzlichen Anforderungen in der Schweiz. Aufgrund der weitreichenden straf- und zivilrechtlichen Folgen einer unvollständigen Compliance ist der Hersteller vertraglich zu verpflichten, dem Bevollmächtigten die Vertragserfüllung vollumfänglich zu gewährleisten. Dies gilt auch für die weiteren Pflichten des Herstellers wie beispielsweise das Anbringen des CE-Kennzeichens, das Zuweisen einer UDI-Nummer (Unique Device Identification) oder das Verfassen der Gebrauchsanweisung und deren Übersetzung in die erforderlichen Sprachen.

Aufbewahrungs-, Melde- und Geheimhaltungspflichten

Zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben muss der Hersteller dem Bevollmächtigten umfangreiche Dokumente zur Verfügung stellen. Vertraglich zu regeln sind daher die Aufbewahrungspflichten. Während der Hersteller von Gesetzes wegen zu einer zehn- bzw. fünfzehnjährigen Aufbewahrung der technischen Dokumentation und der Konformitätserklärung und -Bescheinigung, einschliesslich Änderungen und Nachträge verpflichtet ist, schweigt sich die MepV über die Dauer und den Umfang der Aufbewahrung aus. Aufgrund der Verpflichtung zur kaufmännischen Buchführung ist allerdings auch der Bevollmächtigte zu einer zehnjährigen Aufbewahrung aller geschäftsrelevanten Vorfälle verpflichtet.
Weiter sind die Geheimhaltepflichten des Bevollmächtigten sowie deren Ausnahmen vertraglich zu regeln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bevollmächtigte – gleich wie der Hersteller - von Gesetzes wegen verpflichtet ist, bestimmte Sachverhalte der Behörde zu melden und Dokumente herauszugeben. Um zu vermeiden, dass der Bevollmächtigte eigenmächtig und ohne vorgängige Absprache mit dem Hersteller die Behörde kontaktiert und dadurch die Interessen des Herstellers schädigt, sind die Modalitäten dieses Vorgehens vertraglich zu regeln.

Vertragsbeendigung

Der Vertrag kann auf bestimmte oder unbestimmte Dauer abgeschlossen werden. Bei der Regelung der Kündigungsfristen sollte die ungewisse Rechtsentwicklung im Verhältnis zwischen der Schweiz und der Europäischen Union berücksichtigt werden. Andererseits muss beachtet werden, dass bei einer zu kurzen Kündigungsfrist ein neuer Bevollmächtigter allenfalls nicht rechtzeitig gefunden werden kann. 
Streichenberg berät Unternehmen mit Blick auf die Massnahmen, die aufgrund der neuen Medizinprodukteregulierung in der Schweiz und im Verhältnis zur Europäischen Union zu treffen sind.
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