Die finanziellen Beziehungen zwischen Ärzten und Pharma geraten bekanntlich verstärkt ins Schlaglicht – und der Verdacht ist offensichtlich: Wenn die Mediziner Gelder bekommen von der Industrie, haben sie einen Bias. Sie arbeiten nicht zu 100 Prozent im Interesse der Patienten.
Eine neue Untersuchung ging dieser Verdächtigung jetzt aufs Neue nach, im Falle von klinischen Studien: Gibt es andere Resultate, wenn die Studienleiter mit der Pharmabranche finanziell verbandelt sind? Ein Mediziner-Team von Universitäten der US-Westküste und in New York verglich dazu 195 klinische Arzneimittel-Tests, die im Jahr 2013 stattgefunden hatten.
Konkret wurden dabei Tests ins Visier genommen, welche die Effektivität der Arzneimittel überprüften: Denn dieser Aspekt hat besonders starke Auswirkungen auf die Chancen einer Einführung des Mittels, aber auch auf dessen Preis beziehungsweise die Kosten.
Von den beobachteten Forschungsleitern hatten 58 Prozent bestimmte finanzielle Beziehungen zur Pharmaindustrie. Dabei wurden auch kleinere Verbandelungen wie Reisespesen beachtet, ferner Redner- und Beratungshonorare – und weiter bis hin zu Aktienbesitz oder gemeinsamen Patenten.
Wer meldet auch Flops?
Siehe da: Wenn pharmanahe Mediziner eine Studie leiteten, dann kamen – rein statistisch – signifikant häufiger positive Studienresultate heraus.
Wie das? Die Autoren vermuten einerseits, dass ein «publication bias» hier hineinspielte: Die positiven Ergebnisse wurden völlig korrekt erzielt und vermeldet, aber industrie-nahe Studienleiter neigten vielleicht eher dazu, Flops nicht bekannt zu geben. Aber auch andere Faktoren könnten eine Rolle gespielt haben, etwa die Anlage der Studie oder der analytische Ansatz.
Beobachtung, keine Kausalität
Kurz: Wir haben es mit einer Beobachtung zu tun – und noch lange nicht mit einem Ursache-Wirkungs-Verhältnis. Das Team um die Ärztin Salomeh Keyhani von der UC San Francisco schreibt denn auch vorsichtig, es müsse mehr über die Rollen nachgedacht werden, «welche Forscher, Regulatoren und Herausgeber von Fachzeitschriften spielen können, um die Glaubwürdigkeit ihrer Daten sicherzustellen.»
Und im Editorial lässt das BMJ – wo die Studie herauskam – zwei Forscher einen klaren Rat geben: Autoren mit finanziellen Beziehungen zur Pharmabranche «sollten mit Vorsicht interpretiert werden bis zu dem Punkt, wo wirklich alle relevanten Informationen vollauf offengelegt und einfach greifbar sind».
Die Lunch-Frage
Greifbar wird jedenfalls, dass vielleicht schon sehr geringe und lockere finanzielle Verbindungen spürbare Folgen im Medizinalltag haben könnten.
Konkret untersuchte ein Team der Universitäten von San Francisco und Honolulu, wie oft die Ärzte im Rahmen des amerikanischen Medicare-Programms vier bekannte Marken-Medikamente verschrieben. Zugleich legte man diese Daten mit insgesamt 63'500 Lunch- oder Dinner-Einladungen zusammen, welche die Pharmaindustrie im Erhebungszeitraum ausgewiesen hatte.
Im Fall des Blutdrucksenkers Bystolic (Nebivolol) war das Verhältnis zum Beispiel so: Ärzte, die sich mindestens vier Mal von einem Pharmaunternehmen einladen liessen, zogen mit 5,4-facher Häufigkeit das Markenmedikament dem Generikum vor.
Auch hier: Ursache und Wirkung offen
«Dies war das überraschendste für mich», sagte Colette Dejong, eine der Studienautorinnen, gegenüber der Nachrichtenagentur «Bloomberg»: «Dass so kleine Zahlungen mit solch grossen Unterschieden in den Verschreibungen einhergingen. Zuvor nahm man an, dass doch eine gewisse Summe nötig ist, um Ärzte zu beeinflussen, und die vorherrschenden Richtlinien sind ja auch entsprechend.»
Dennoch: Auch hier wagten die Autoren nicht, den Ärzten direkt Bestechlichkeit zu unterstellen – sie formulieren die Sache in ihrer Conclusion vorsichtig: «Der Erhalt von industrie-gesponsorten Mahlzeiten war assoziiert mit einer höheren Verschreibungsrate von Marken-Arzneimitteln, die dabei beworben wurden. Die Ergebnisse belegen eine Beziehung, aber keinen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang.»