Die Medienmitteilung des Dachverbands der Fachgesellschaften der invasiv und akutmedizinisch tätigen Spezialärzte FMCH überrascht. Denn der Chirurgenverband sagt NEIN zum geplanten Tarifwerk für ambulante Pauschalen. Bislang gaben sich die Chirurgen gemeinsam mit dem Spitalverband Hplus und dem Versichererverband Santésuisse gegen aussen stets als Mitträger und klare Befürworter von ambulanten Pauschalen aus.
Das vorliegende Tarifwerk erfülle aber verschiedene Anforderungen nicht, so die Chirurginnen und Chirurgen mit Präsident Michele Genoni an der Spitze. Für sie müssten ambulante Pauschalen «sinnvoll, wirtschaftlich und anwendbar» sein. Offensichtlich trifft dies aber nicht auf das pauschale Tarifwerk zu, welches die Trägerorganisation Solutions Tarifaires Suisses am 11. November in die Vernehmlassung gegeben hat. Der Chirurgenverband kritisiert in diesem Zusammenhang auch die Dauer der kurzfristig angesagten Vernehmlassung von nur zwei Wochen.
Tarifwerk ohne Kriterien der Ärzte entwickelt
Der Chirurgenorganisation fehlt auch ein klares Bekenntnis, die von der Ärzteschaft vorgebrachten offenen Fragen zum Pauschalensystems rechtzeitig und partnerschaftlich zu klären – und Fehler zu korrigieren. Zudem habe Santésuisse und Hplus die Spezialärzteschaft als Gründungsmitglied «sehr spät» informiert und in die Projektgruppe involviert. Das sei ein Fehler gewesen, der sich nun auswirke.
Die Mängel sind gemäss FMCH so zahlreich und wiegen so schwer, dass sie Pauschalen in dieser Ausgestaltung nicht mittragen (Details siehe Tabelle unten). Deshalb habe sich der Chirurgenverband Foederatio Medicorum Chirurgicorum Helvetica gegen die Einreichung beim Bundesrat entschieden. Das pauschale Tarifwerk 1.0 soll gemäss bisherigen Plänen noch vor Ende 2021 beim Bundesrat eingereicht werden.
Kombination von Pauschalen und Einzelleistungstarif
Gleichzeitig teilt der Verband mit seinen 9'000 Spezialärztinnen und Spezialärzten mit, dass die Mitgliedschaft in der Tariforganisation Solutions Tarifaires Suisse derzeit nicht in Frage gestellt werde. Allerdings fordern sie ein Tarifsystem bestehend aus Pauschalen und Einzelleistungstarifen. Dies in Kooperation mit dem Ärzteverband FMH, der gemeinsam mit Curafutura das Tarifwerk Tardoc verfolgt. Der Tardoc soll den Tarmed ablösen und ist bereits seit zwei Jahren im Bundesrat zur Prüfung. Es ist davon auszugehen, dass für die Pauschalen die gleichen Anforderungen gelten wie an den Tardoc.
Für den Dachverband der Fachgesellschaften der invasiv und akutmedizinisch tätigen Spezialärzte FMCH wäre ein Einreichen des vorliegenden ambulanten Pauschalwerks ausschliesslich durch die Spitäler und den Versicherern von Santésuisse «weder zielführend noch sinnvoll.» Vor allem besteht für den Verband keine Dringlichkeit, eine ambulante Tarifstruktur bis Ende Jahr bei den Behörden einzureichen.
Die Mängel im Überblick:
- Die Pauschalen bauen ausschliesslich auf DRG-Kostendaten von Spitälern auf.
- Weder Daten noch Expertise von Spezialärztinnen und -ärzte sind eingeflossen.
- Die Vernehmlassungsfrist von zwei Wochen, um die vorgeschlagenen Pauschalen kritisch und umfassend zu prüfen, ist viel zu kurz. Fundierte Rückmeldungen sind damit unmöglich.
- Die Einreichung des aktuellen Standes der Tarifstruktur ist ausgeschlossen, da die Struktur einseitig, unvollständig und nicht adäquat ist.
- Die Entwicklung der ambulanten Pauschalen muss mit allen Betroffenen angepackt werden.
- Das Schüren und Pflegen von Differenzen und einseitigen Argumentationen für oder gegen Einzelleistungstarife und für oder gegen ambulante Pauschalen ist zu beenden.